Im Politico-Podcast „Berlin Playbook Update“ begegnet Moderator Gordon Repinski zwei Sprecher:innen aus dem Westbalkan, die trotz unterschiedlicher Strategien auf dieselbe Adresse blicken: Berlin. Vjosa Osmani, Präsidentin des Kosovo, kritisiert bei einem Spaziergang durch die Hauptstadt, dass Brüssel ihre pro-europäische Haltung für selbstverständlich halte („We don't flirt with other powers […] Russia, China, Iran, what I call kind of the triangle of evil“). Statt auf Leistung zu schauen, werde kleineren Staaten Druck gemacht, während Serbien mit seinem Rückfall in die 90er-Jahre-Politik und enger Bindung an Moskau davonkomme. Deshalb fordert Osmani eine schnellere NATO-Integration, statt auf EU-Beitritt zu warten („to be in NATO means to be safe“). Edi Rama, Albaniens Premierminister, präsentiert sich im Axel-Springer-Hochhaus als Tech-Enthusiast. Er berichtet, wie er Mira Murati von OpenAI rief, um gemeinsam mit Microsoft eine KI namens „Diella“ zu entwickeln, die 4.600 EU-Gesetze übersetzt, Ausschreibungen transparent macht und sogar als schwangere Hologramm-Ministerin Kabinettssitzungen beiwohnt („she remembers everything“). Rama verspricht sich davon weniger Korruption und schnellere Annäherung an die EU, lobt zugleich Kanzler Merz‘ Unterstützung und sieht Deutschland als unverzichtbaren Fahrer Europas („Europe without Germany in the driving seat is lost“). ### 1. Kosovos Sicherheitsstrategie: NATO vor EU Osmani argumentiert, NATO-Mitgliedschaft sei kurzfristig wichtiger als EU-Beitritt, weil mehr Bündnisgebiet die Destabilisierung durch Russland abschrecke. Das Land erfülle bereits alle Kriterien und wolle seine Verteidigungsausgaben auf 4% des BIP verdoppeln. ### 2. EU-Prozess als „merit-based“-Forderung Die Präsidentin beklagt, dass der formale Leistungsgrundsatz in Brüssel fehle. Ihr Land habe alle EU-Vorschläge im Dialog mit Serbien akzeptiert, sei aber trotz weitreichender Reformen auf dem „merit-based process“ stehen geblieben. ### 3. Digitalisierung als Korruptionsbekämpfung Rama nutzt KI, um Übersetzungs- und Verwaltungsprozesse zu beschleunigen. Die „diellen“ Assistent:innen sollen durch automatisierte Dokumentenprüfung kleine Korruption („first-level corruption“) abschaffen und Überschneidungen im Rechtsbestand entfernen. ### 4. Serbien als „Putins verlängerte Hand“ Osmani wirft Präsident Vučić vor, Milošević zu verherrlichen und mit Russland, China und Iran strategisch zu koooperieren. Die EU-Appeasement-Politik habe diesen geopolitischen Shift ermöglicht und die Region instabil gemacht. ### 5. Berlin als Schaltstelle für EU-Traum Beide Politiker:innen setzen auf deutsche Führung. Rama unterstreicht, der Berlin-Prozess müsse neu belebt werden; Osmani erhofft sich über deutsche Unterstützung faire Behandlung im EU-Beitrittsprozess. ### 6. Zukunftsvision: Mensch und Maschine im Parlament Albanien testet KI-Abgeordneten-Assistent:innen, die Reden schreiben, Sitzungen protokollieren und Abwesenheiten zusammenfassen. Rama plant, Diella als Hologramm öffentlich auftreten zu lassen, um digitale Staatlichkeit zu verkörpern. ## Einordnung Die Sonderfolge wirkt wie ein bewusst gesetztes Gegenmodell zur Ankara-Reise von Kanzler Merz: während die EU-Beitrittsfrage dort kaum eine Rolle spielt, wird sie hier zum Sehnsuchtsort stilisiet. Repinski überlässt den Protagonist:innen viel Raum für Appelle und Zukunftsgeschichten, hinterfragt aber kaum konkrete Hindernisse oder Widersprüche – etwa wie die KI-Übersetzungsqualität von 85% auf 98% steigen konnte, ohne dass Studien oder unabhängige Audits zitiert werden. Kritische Gegenfragen fehlen: Welche Gefahren birgt ein praktisch unkontrollierter Einsatz von KI in sensiblen Verwaltungsbereichen? Welche demokratischen Kontrollmechanismen gibt es für „Diellas Kids“? Stattdessen verläuft sich die Sendung in einer Mischung aus Polit-Statements und Tech-Begeisterung, die vor allem als Imagepflege für beide Länder wirkt. Perspektivisch dominiert die Berliner Wunschperspektive; alternative Sichtweisen – etwa serbische Positionen, EU-Beamte oder Zivilgesellschaft – bleiben ausgespart. Der Ton bleibt durchweg optimistisch, was dem Podcast seine Erzählkraft verleiht, zugleich aber auch die Komplexität der westbalkanischen Politik reduziert.