Diese Episode des isländischen Kulturpodcasts „Víðsjá“ ist ganz der Schriftstellerin Vigdís Grímsdóttir gewidmet – anlässlich des ihr gewidmeten Heftes der Zeitschrift „Mál og menning“. Moderation: Halla Harðardóttir und Melkorka Ólafsdóttir. Das Gespräch findet in Vigdís’ eigener Küche statt und wechselt zwischen Liedwünschen, biografischen Rückblicken und Reflexionen über Literatur, Musik und Gesellschaft. ### 1. Musik als Schreibmotor und emotionale Heimat Vigdís erzählt, sie habe früher ausschließlich laute Rock- und Elektromusik während des Schreibens gehört: „Ich hörte alles. Als ich schrieb … Elektromusik – ich hörte meinen Sohn, er produziert elektronische Musik.“ Die Musik sei nie störend, sondern habe ihre Gedanken vorangetrieben. ### 2. Die Macht der Stille Ein zentrales Thema ist die „Þögn“ (Stille). Vigdís betont: „Die Stille ist natürlich nur das Größte in der Musik … sie muss an genau der richtigen Stelle sein.“ Auch im literarischen Text wirke Stille wie Musik – sie strukturiere die Erzählung. ### 3. Kindheit und „erfundene Freunde“ als kreative Quelle Die Autorin blickt auf ihre Kindheit zurück: „Ich lebte völlig in einer Geschichtenwelt in meinem Kopf … Ich war nie alleine.“ Diese kindliche Freiheit und Unverbrüchlichkeit nutzt sie bis heute als literarische Ressource. ### 4. Mutige Themenwahl frühzeitig thematisiert Schon 1989, als „niemand darüber sprach“, veröffentlichte sie mit „Ísbjörg“ einen Roman über sexuelle Gewalt. Sie erhielt Hassbriefe: „Mir wurden hässliche Briefe geschickt, sowohl obszöne als auch … man bot mir allerlei schlimme Enden an.“ Dennoch hält sie an der Aussage fest: „Das Gute wird siegen.“ ### 5. Literatur als Friedensprojekt Zum Abschließ zitiert Moderatorin Melkorka UN-Generalsekretär Guterres: „Frieden ist die mutigste, pragmatischste und notwendigste aller Bemühungen.“ Vigdís stimmt zu: „Wir sollten vielleicht so viele wie möglich von uns vom Hass befreien … Frieden ist überall das Beste, was wir uns geben können.“ ## Einordnung Das Gespräch ist kein kritisches Interview, sondern eine liebevoll-familiäre Hommage. Die Moderatorinnen übernehmen wenig steuernde Rolle, stattdessen laufen Musiktiteln und Anekdotenfolgen ungebremst ineinander. Das Format überlässt Vigdís Grímsdóttir die Deutungshoheit – unkritisch, aber stimmungsvoll. Problemreich wird es, wenn schwere Themen (sexuelle Gewalt, soziale Ungleichheit) nur in poetische Bilder verpackt bleiben; konkrete gesellschaftliche Verantwortung oder systemische Ursachen werden kaum benannt. Der Podcast zementiert damit die Tradition einer kulturpalast-intimen Autor:innen-Verehrung, ohne die Hintergründe der eigenen Position oder mögliche Kontroversen auszuloten. Für Hörer:innen, die eine scherenschnittartige Annäherung an das Werk Vigdís’ suchen, ist die Folge ein wohltemperiertes Schmankerl – für eine kritische Auseinandersetzung mit Literatur und Gesellschaft jedoch zu glatt und zu sehr Selbstzweck.