11KM: der tagesschau-Podcast: Exportnation Deutschland – Waffen für die Welt?

Ein Blick hinter die Kulissen deutscher Waffenexporte: Wie der Bundessicherheitsrat geheim über Milliarden-Deals entscheidet und warum deutsche Waffen auch in umstrittenen Konflikten landen.

11KM: der tagesschau-Podcast
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Im Tagesschau-Podcast 11KM spricht Elena Kuch mit dem ARD-Sicherheitsexperten Tim Aßmann über deutsche Waffenexporte. Das Gespräch beleuchtet ein Jahr der Rekordexporte: 2024 genehmigte Deutschland Rüstungslieferungen im Wert von 13 Milliarden Euro - so viel wie nie zuvor. ### Deutschland beliefere vor allem Verbündete und strategische Partner Der Großteil der Ausfuhren gehe an die Ukraine (8,1 Milliarden Euro) und überraschend an Singapur auf Platz zwei, so Aßmann. Deutschland exportiere hauptsächlich an NATO- und EU-Staaten sowie gleichgestellte Partner wie Singapur und Südkorea. Zu den Drittstaaten gehörten etwa Algerien, Ägypten oder Saudi-Arabien, bei denen "nochmal genauer drauf geguckt" werde. ### Der Bundessicherheitsrat entscheide geheim über Waffenexporte Das Verfahren sei streng geregelt: Unternehmen stellten Voranfragen beim Wirtschaftsministerium, das andere Ressorts wie das Auswärtige Amt einbeziehe. Der Bundessicherheitsrat aus Kanzler und zuständigen Ministern treffe dann die finale Entscheidung - allerdings geheim. "Da geht es einfach darum, ist es in unserem Interesse, können wir es verantworten, dorthin zu liefern", erklärt Aßmann. ### Deutsche Waffen würden auch in Gaza eingesetzt Besonders brisant sei die Lage bei Israel-Exporten. Deutsche Komponenten steckten im israelischen Merkava-Panzer, der im Gaza-Krieg zum Einsatz komme. "Es kommen im Gazastreifen Waffensysteme zum Einsatz, an denen Deutschland beteiligt ist", bestätigt Aßmann. Drei Viertel der Deutschen befürworteten laut ARD-Umfrage eine Begrenzung oder einen Stopp der Israel-Lieferungen. ### Kontrollen seien schwierig durchsetzbar Die sogenannte Endverbleibskontrolle funktioniere nur bedingt. Aßmann verweist auf den Heckler & Koch-Skandal, bei dem das Unternehmen "wissentlich" Waffen in nicht genehmigte mexikanische Bundesstaaten lieferte. Inspektionen hätten "meistens eher Stichprobencharakter". ### Wirtschaftliche Interessen spielten trotz Dementis eine Rolle Obwohl offiziell kein Kriterium, berücksichtigten Politiker auch Arbeitsplätze in Deutschland. Nach dem Kalten Krieg seien Länder wie Saudi-Arabien als Kunden wichtiger geworden, als NATO-Armeen weniger Waffen benötigten. ## Einordnung Das Gespräch folgt einem klassisch journalistischen Ansatz: Kuch stellt präzise Nachfragen, Aßmann liefert sachkundige Einordnungen ohne erkennbare Parteinahme. Die Komplexität deutscher Rüstungsexportpolitik wird anschaulich aufgeschlüsselt - von Genehmigungsverfahren über historische Entwicklungen bis zu aktuellen Dilemmata. Besonders erhellend sind Aßmanns Ausführungen zu den Grauzonen: Wie wirtschaftliche Interessen trotz offizieller Dementis mitschwingen, wie schwer Endverbleibskontrollen durchsetzbar sind und warum "Ausnahmen" von eigenen Grundsätzen zur Regel werden können. Die Behandlung des Gaza-Konflikts zeigt journalistische Qualität: Aßmann benennt klar, dass deutsche Komponenten in israelischen Panzern im Gaza-Krieg zum Einsatz kommen, ohne zu moralisieren. Er erklärt das Spannungsfeld zwischen historischer Verpflichtung gegenüber Israel und völkerrechtlichen Bedenken sachlich. Gleichzeitig deckt das Gespräch strukturelle Probleme auf: Die Geheimhaltung des Bundessicherheitsrats verhindert demokratische Kontrolle, wirtschaftliche Erwägungen unterlaufen ethische Prinzipien. Aßmanns Hinweis, dass kritische Anträge möglicherweise erst gar nicht gestellt werden, um die Regierung nicht in Entscheidungszwang zu bringen, entlarvt eine problematische Praxis der Verantwortungsvermeidung. Ein informativer Beitrag, der komplexe Zusammenhänge verständlich macht, ohne zu vereinfachen.