Kontext und Sprecher: Der norwegische Aftenposten-Podcast „Ekstra Lars“ diskutiert in dieser Folge mit Soziologe Willy Pedersen dessen Buch „Rusens skjønnhet og smerte“ (etwa: „Schönheit und Schmerz des Rauschs“). Pedersen zeigt Langzeitdaten, wonach mäßiger Alkoholkonsum Ende der Teenagerjahre mit höherer Bildung und späterem Einkommen korreliert, während absolute Abstinenz bis 30 häufiger mit Einsamkeit, Arbeitslosigkeit und späterem Geschlechtsverkehr einhergehe. Das Gespräch thematisiert zudem Trinkgeschichten als soziales Bindemittel, die Kokain-Subkultur Oslos (u. a. „russebuss“-Gruppen), Geschlechterunterschiede (Mädchen erfahren schneller „Slut-shaming“) und das Alkohol-Paradoxon: Gutverdienende trinken mehr, erleiden aber weniger Schäden als Arme. Die Episode endet mit dem Plädoyer, Norwegens restriktive Alkoholpolitik zu bewahren, während der Drogenkrieg aufzuweichen sei. ### Menschen mit späterem Alkoholstart profitieren längerfristig Laut einer norwegischen Längsschnittstudie könne ein regelmäßiger, nicht exzessiver Konsum ab späten Teenageralter mit besseren sozialen und wirtschaftlichen Ergebnissen verbunden sein. Pedersen betont: „De som drikker mest, tjener mest“ – wobei die meisten Hochtrinkende aus hohem sozialen Milieu stammen und über soziale Netzwerke „eine Art Schutz gegen Erwerbsunfähigkeit oder Sozialhilfe“ erlangten. ### Alkohol als soziales Schmiermittel und Karriere-Booster Alkoholgaben in Freizeit und Beruf funktionierten als „prosoziales“ Ritual, sagt Pedersen: „Hvis du skal lage en god deal, så er det ganske smart med vin til maten og noen drinker etterpå.“ Die Fähigkeit, bei geschäftlichen Treffen Wein und Cocktails zu konsumieren, gelte als „sozial kompetent“ und sichere wertvolle Verbindungen. ### Kokain als Statussymbol in Oslos „A-Gängen“ Kokain werde in Oslo kaum isoliert konsumiert, sondern meist nach Alkohol als „after-ski“-ähnliche Verlängerung. In manchen Gymnasien-Cliquen („russebuss“) gelte die Regel „skisesongen er ferdig i juni“ – ein Code für Kokaingebrauch bis Ende der Schulzeit. Wer die Droge nehme, gelte als angehender Anführer und „player“, während „fattigmannskokain“ (Amphetamine) als „working-class“ gelte. ### Geschlechterungleichgewicht: Mädchen erleben mehr Sanktionen Während Jungs bei Trink- und Kokainkultur „selvhevende“ Maskulinität demonstrieren könnten, würden Mädchen für dasselbe Verhalten schnell mit „hore“-Etikett sanktioniert, berichtet Pedersen. „Slut-shaming“ treffe selbst in liberalen Kreisen Mädchen, nicht aber Jungs, was die sozialen Gewinne von Alkohol in schwerwiegender Weise verzerre. ### Alkohol-Paradox: Reiche trinken mehr, Arme leiden mehr Die wichtigste gesellschaftliche Schieflage sei das „alkoholdeskaparadokset“: Akademiker mit hohem Einkommen konsumierten am meisten, während Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status seltener trinken, bei Problemen aber stärker betroffen seien (Krankheit, Arbeitsunfähigkeit). Die Daten lege nahe, dass der Alkohol „rammer mye hardere de fattige“. ## Einordnung Die Sendung wirkt wie eine Mischung aus wissenschaftlicher Sensation und lockerem Promi-Gespräch. Lars Glomnes überlässt weite Strecken der Erzählung Pedersen, bohrt selten kritisch nach und stellt kaum Gegenfragen zu den brisanten Themen. Die Behauptung, Alkohol könne für Spätanfänger ein soziales Aufstiegsinstrument sein, bleibt unreflektiert stehen; kausale Mechanismen werden nicht von Selektionseffekten getrennt. Gleichzeitig verharmlost die lockere Atmosphäre potenzielle Schäden: Kokain wird als „gut organisiertes“ Statusspiel dargestellt, ohne auf Abhängigkeit, Kriminalität oder Herkunftsbedingungen einzugehen. Geschlechterprobleme (sexuelle Übergriffe, „Slut-shaming“) werden angerissen, aber nicht als systematisches Machtproblem verhandelt. Die Sendung reproduziert damit ein Bild, in dem weiße Mittelschicht-Männer von Rauschritualen profitieren, während prekäre Gruppen und Frauen die Kosten tragen – ohne dass der Moderator diese Perspektive hinterfragt. Wer auf klare journalistische Gegenrechnung und differenzierte Drogenaufklärung hofft, wird enttäuscht.