Doppelter Espresso: #92 Sind Gamer die besseren Entrepreneure?
Persönliche Erfahrungsbilanz: Kann Gaming im Beruf helfen oder macht es süchtig?
Doppelter Espresso
39 min read1601 min audioTorben Platzer teilt in dieser persönlichen Episode seine eigene Gaming-Geschichte: vom ersten Kontakt mit Warcraft 3 über seine Zeit als ESL-E-Sportler bis zum kompletten Verzicht auf Spiele. Er wägt dabei mögliche Vorteile wie Problemlösefähigkeit, Computerkenntnisse und Englischlernen gegen Risiken wie Sucht, sozialen Rückzug und fehlende Transferleistungen in die "echte Welt" ab. Die Episode lebt von Anekdoten („Ich bin einfach aus dem Englisch-LK gegangen, weil in WoW ein Drache spawnete“) und der Selbstdiagnose, dass sein früherer Tunnelblick beim Zocken heute noch in seiner Selbstständigkeit wirke. Studien werden nur beiläufig zitiert, konkrete Quellen fehlen. Die Argumentation bleibt subjektiv, widersprüchlich (z. B. „Gaming half mir beim Englisch“ vs. „Soziale Kompetenz habe ich nicht übertragen“) und ohne Gegenstimmen. Die Gefahr der Verharmlosung problematischer Nutzungsmuster ist spürbar, da Sucht fast als notwendiger Preis für Erfolg im Spiel und im Business beschrieben wird.
### 1. Gaming als Problem- und Englisch-Training
Platzer berichtet, dass er durch E-Sport-Teams mit US-Amerikaner:innen kommunizieren musste und sich so „nie mit Vokabelheft“, sondern aus realem Bedarf heraus Englisch beigebracht habe. „Ich konnte mich verständigen, weil das war ja wichtig auch in den Games oder auf den Lan-Partys.“
### 2. Sucht als „notwendiger“ Erfolgsturbo
Er sieht eine direkte Verbindung zwischen Spielsucht und Leistungsbereitschaft: „Wenn du jetzt selbstständig bist und du willst unbedingt das schaffen, musst du ein bisschen süchtig nach Arbeit sein. Sonst wirst du es nicht schaffen.“
### 3. Transfer kognitiver Fähigkeiten bleibt unklar
Obwohl er APM-Werte („Actions per Minute“) von über 250 erreichte, räumt er ein: „Die Frage ist, wofür außerhalb des Games? … Ich glaube, das ist halt limitiert, so, wo ist der Transfer?“
### 4. Soziale Kompetenz eher Mangel statt Mehrwert
Die Behauptung, Gaming könne soziale Angste lindern, relativiert er sofort: „Ich würde sogar sagen, das ist eher nachteilig … Weil auf einmal hast du eine Person vor dir und denkst, hey, warte mal, ist eine ganz andere Atmosphäre hier.“
### 5. Persönlicher Schlussstrich statt moderater Nutzung
Statt auf moderiertes Spielen setzt Platzer auf radikale Abstinenz: „Für mich kam dieses, ich spiele dann statt den ganzen Tag nur noch zwei Stunden, das ging nicht. Das wusste ich auch.“
## Einordnung
Die Episode wirkt wie ein lockeres Pläuschchen unter alten Gamer-Freund:innen, nicht wie ein faktenbasierter Ratgeber. Platzer beansprucht zwar „neutral-objektive“ Herangehensweise, liefert aber keine belastbaren Daten, keine Expert:innenstimmen und keinerlei Gegenpositionen. Stattdessen vermischt er Anekdoten mit Verweisen auf anonyme „Studien aus 2024“, ohne Quellen zu nennen. Besonders problematisch: Die Verharmlosung von Sucht als „kleines bisschen nötig“ für beruflichen Erfolg. Dabei bleibt unklar, wie repräsentativ seine Erfahrungen sind – ein Jugendlicher mit Neigung zu problematischem Medienkonsum könnte die Botschaft „Ohne Sucht kein Erfolg“ als Freibrief missverstehen. Die fehlende Differenzierung zwischen Casual Gaming und pathologischem Gebrauch, das Ausblenden externer Perspektiven (Psychologie, Pädagogik) und die Selbstinszenierung als Ex-Suchter: „Ich war süchtig, 100 %“ machen die Folge zu einem zwiespältigen Selbstexperiment. Wer fundierte Informationen zu Gaming und Produktivität sucht, wird hier nicht fündig; wer persönliche Geschichten aus der deutschsprachigen Gaming-Szene der 2000er mag, bekommt unterhaltsame Retro-Stimmung.