Radiowissen: Claudio Monteverdi - Der Erfinder der Oper
Ein anschaulicher Überblick über Leben und Innovationen des Barockkomponisten Claudio Monteverdi, der mit der Oper "Orfeo" und der "Seconda pratica" die Musikwende vom Mittelalter zur Neuzeit markierte.
Radiowissen
37 min read1363 min audioDiese BR-Produktion aus dem Jahr 2017 zeichnet das Leben von Claudio Monteverdi (1567-1643) nach, dem italienischen Komponisten, der mit Werken wie "Orfeo" (1607) und der "Krönung der Poppea" (1642) die Oper als Gattung begründete. Der Sprecher führt durch Cremona, Mantua und Venedig, erläutert Monteverdis Innovation der "Seconda pratica", die den Textaffekt über strenge Kontrapunktregeln stellte, und lässt Originalmusik sowie historische Briefzitate wirken. Der Fokus liegt auf der Wandlung von der Renaissance-Polyphonie zum Generalbass-Denken und auf Monteverdis Balance zwischen weltlichem Opernkomponisten und angestelltem Kirchenmusiker. Der 22-minütige Beitrag endet mit der Feststellung, Monteverdis Musik bleibe bis heute zeitlos berührend.
### Monteverdi gelte als "Erfinder der Oper", obwohl es frühere Werke gebe, weil "Orfeo" erstmals alle Elemente einer "richtigen Oper" vereinte: Menschenschicksale in tiefer Trauer und Freude, vorgetragen in einer "zeitlos gewaltigen Tonsprache", wie Musikwissenschaftler Kurt Sachs zitiert wird.
### Die "Seconda pratica" habe die Musikgeschichte revolutioniert, indem sie vorschrieb: "Die überkommenen Kontrapunktregeln verlieren dann ihre verbindliche Kraft, wenn der Textaffekt ein Übertreten der Regeln erfordert", wie Monteverdi 1607 in seinem Vorwort zum zweiten Madrigalbuch erkläre.
### Der Generalbass, als "durchgehende Bassstimme mit Ziffern", habe Komponisten wie Monteverdi erstmals erlaubt, vertikal in Harmonien statt horizontal in polyphonen Stimmlagen zu denken – ein Bruch, der die abendländische Musik grundlegend veränderte und Wegbereiter für spätere Cembalo- und Gitarren-Akkordik werde.
### Monteverdis Leben sei geprägt von widersprüchlichen Rollen: als unterbezahlter Hofdiener der Gonzagas in Mantua, der 22 Jahre lang "mit dem sehnlichsten Wunsch" zu gehorchen habe, und als international gefeierter Maestro in Venedig, wo er als Domkapellmeister von San Marco finanzielle Sicherheit und künstlerische Freiheit erhalte.
## Einordnung
Der Beitrag besticht durch anschauliche Ortungen, klare musikalische Erläuterungen und stimmige Klangbeispiele; er erfüllt den Anspruch eines klassischen Wissenschaftsmagazins. Die argumentative Struktur bleibt linear-biografisch, wendet sich an Hörer:innen ohne Vorkenntnisse und verzichtet auf Fachjargon. Auffällig ist die fast völlige Ausblendung von Widersprüchen oder Kontroversen – etwa Monteverdis Rolle im sozialen Spannungsfeld zwischen adligem Auftraggeber und kreativer Autonomie wird zwar angerissen, aber nicht kritisch hinterfragt. Auch fehlen weibliche oder nicht-europäische Perspektiven auf das Barockereignis Oper. Stattdessen wird eine heroische Erfolgsgeschichte erzählt, die den Geniekult um „einen der wichtigsten Komponisten aller Zeiten“ bestätigt. Die Sendung reproduziert damit ein traditionelles Kanon-Denken, bleibt aber in Form und Inhalt journalistisch solide und frei von problematischen Ideologien. Sie bietet einen schönen Einstieg in Monteverdis Welt, fordert jedoch keine dekonstruktive Betrachtung der Musikgeschichte.