Die sogenannte Gegenwart: Kinderlosigkeit und Ketamin: “Let’s talk about feelings” von Leif Randt
Literaturlive-Diskussion über Leif Randts neuen Roman „Let’s talk about feelings“ mit hitziger Kontroverse zwischen den Kritiker:innen.
Die sogenannte Gegenwart
4869 min audioDie Literaturkritiker:innen Nina Pauer, Lars Weisbrod und Ijoma Mangold diskutieren live in Hamburg über Leif Randts neuen Roman „Let’s talk about feelings“. Randt entwirft darin eine nahere Zukunft, in der Klimakrise und politische Umbrüche Alltag sind; die Geschichte folgt dem Modeboutique-Besitzer Marian, der mit dem Tod seiner Mutter und genereller Gefühlsstumpfheit kämpft.
### Randt sei der einzige deutsche Gegenwartsautor, der wirklich in der Jetzt-Zeit schreibe
Weisbrod lobt: „Ich glaube, Leif Randt ist der wichtigste deutsche Gegenwartsschriftsteller … der einzige, der wirklich in der Gegenwart schreibt.“ Wer den Roman schlecht finde, „versteht“ Randts Konzept nicht.
### Die affektarme Erzählweise spiegele Entfremdung, führe aber zu Langeweile
Mangold kontert, er verstehe Randt sehr wohl, doch die bewusst klinische Prosa mache „je öfter ich es lese, desto unerträglicher“ die Lektüre. Die Geschichte bleibe „langweilig“, „uninteressant“ und „vorhersehbar“.
### Die skizzenhafte Zukunftswelt irritiere durch lose Szenen statt kohärenten Weltbau
Pauer stimmt teilweise zu: Die Präzision, mit der Randt das Lebensgefühl alternder Millennials einfange, überzeuge; irritierend seien jedoch einzelne Zukunfts-Details wie Insektenmix-Restaurantgerichte und „Diktatur light“, die nie erklärt oder in die Handlung eingebunden werden.
### Die Öko-Zukunft sei keine Fantasy, sondern logische Weiterentwicklung unserer Gegenwart
Weisbrod verteidigt die Verfremdungen: Die Welt entstehe aus der Klimakrise, Parteien seien durch „Realitäten“ ersetzt, etwa „das Leben ist so gut wie tot“ oder „wir schaffen das“. Randt erkläre nicht, sondern entwerfe eine „Atmosphäre“, die sich direkt aus heutigen Entwicklungen ableite.
### Die Diskussion offenbare Generations- und Geschmackskonflikte zwischen Rezensent:innen
Die Debatte zeigt, wie unterschiedlich literarische Qualität bewertet wird: Für Weisbrod ist Atmosphäre und Gegenwartsdiagnose entscheidend, für Mangold zählt Handlungs-Spannung und emotionale Wirkung, während Pauer beide Seiten sieht und Randts Stärken in der Milieuzeichnung bestätigt, ohne die Schwächen zu leugnen.