Die australische Podcast-Episoden „Please Explain“ beleuchtet zwei prominente Sexualstraftaten-Vorwürfe in der Politik: den von Brittany Higgins gegen einen Kollegen in der Parlamentsresidenz 2019 und einen 1988 behaupteten Vorfall gegen den Bundesjustizminister Christian Porter, der die Vorwürfe bestreitet. Moderatorin Johanna Metcalfe spricht mit „Age“/„Herald“-Reporterinnen Anna Patty (Personalwirtschaft) und Katina Curtis (Bundespolitik) über die Reaktionen der Regierung, Hindernisse für Beschwerdeführer und systemische Mängel bei der Aufarbeitung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Als Beleg dient etwa Olivia (Pseudonym), deren Arbeitsgeber ihre PTSD-Behandlung ignorierte und sie zur Kündigung zwang. ### Es gebe einen Mangel an wirksamen Beschwerdesystemen in Parlament und Unternehmen Anna Patty berichtet, dass Frauen, die Meldung erstatten, oft nicht geglaubt oder gar oktroyiert würden. Ein Menschenrechtskommissions-Bericht aus 2018 zeige, dass sich jede fünfte Belästigte beruflich zurückziehen muss. Olivia sei mit ärztlich beglaubigter Viertagewoche zurückgekehrt, doch ihr Vorgesetzter forderte volle Stunden und erklärte: „Ich kümmern mich nicht um deine psychische Gesundheit – entweder du kommst oder du bist gefeuert.“ Sie habe letztlich gekündigt und den Fall vor der Fair-Work-Kommission beigelegt. ### Regierung verlange weder Rücktritt noch unabhängigen Untersuchungsweg Die Polizei habe die Beschwerde gegen Porter eingestellt, weil die mutmaßliche Opfer im März 2020 zurücktrat und mittlerweile verstorben sei. Katina Curtis erklärt, Premierminister Morrison betrachte den Fall nach einer Briefinformation der Bundespolizei als „abgeschlossen“. Gegen eine unabhängige Untersuchung spricht er, weil kein „neues gerichtsfähiges Beweismaterial“ vorliege; Befürworter fordern Transparenz für einen Minister in Integritätsposition. ### Die vorgeschlagene „positive Pflicht“ zur Prävention sei bisher nicht eingeführt Patty zitiert die Sexual-Diskriminierungskommissarin Kate Jenkins: Eine gesetzlich geregelte Vorverpflichtung der Arbeitgeber zur Verhinderung von Belästigung sei zentral, statt nur Beschwerdeverfahren zu stützen. Die Bundesregierung habe 55 Empfehlungen des Kommissionsberichts zwar „prinzipiell“ akzeptiert, doch die Umsetzung bleibt offen. ### Die Mehrheit betroffener Mitarbeitenden erlebe Sanktionen statt Unterstützung Die 2018-Umfrage zeige, dass die übrigen vier Fünftel keine faire Behandlung erfahren würden: Sie würden versetzt, abgewiesen oder entlassen. Die meisten Frauen müssten Karriereopfer bringen, was gesellschaftlich ein „ernstes Problem“ darstelle, da Opfer oft aus dem Arbeitsmarkt gedrängt würden. ### Forderungen richten sich auf Kulturwandel, nicht nur auf formelle Regeln Weitere Empfehlungen betreffen längere Verjährungsfristen für Beschwerden (auf 24 Monate) und eine landesweite Aufklärung über Zustimmung und Beziehungsrespekt. Es gehe darum, Männlichkeitsnormen zu hinterfragen und Führungskräften eindeutige Null-Toleranz-Signale zu setzen. ## Einordnung Die Diskussion operiert auf solidem journalistischem Niveau: Die Faktenlage wird sauber differenziert, alle Behauptungen sind der Spurbarkeit zugeführt. Die Journalistinnen beziehen wiederholt Expertinnen zitiert mit Zahlen, vermeiden Spekulation und nennen ihre Quellen. Moderatorin Metcalfe fragt nach Widersprüchen – etwa weshörer Morrison das Briefdokument nicht selbst gesehen habe – und dokumentiert die politische Blockadehaltung. Besonders stark: Die Stimme von Betroffenen wie Olivia, die das abstrakte Problem in konkrete Arbeitsalltäglichkeit übersetzt. Die Perspektive ist durchaus feministisch, ohne parteiisch zu wirken. Trotzdem bleibt die Deutungshoheit bei Parlaments- und Polizeilogik. Linke oder rechte Randpositionen fehlen, was in einem Gesellschaftsgespräch über Macht und Geschlecht bedauerlich ist; die Analyse bewegt sich innerhalb des Neoliberalen Reformrahmens (bessere Policies, HR-Systeme). Insgesamt ein informatives Format mit professioneller Herangehensweise, das aber das Versprechen auf „mehrere Monate“ Nachrichtengeschichte nur partiell einlöst, weil keine neuen Enthüllungen geliefert werden.