Die Wiederholung der Folge „Wie KI den Arbeitsmarkt transformiert“ aus dem Podcast „Pioneers of AI“ führt Moderatorin Rana el Kaliouby mit der investigativen Journalistin Hilke Schellmann, Autorin von „The Algorithm“. Ausgangspunkt ist eine Begegnung mit einem Fahrer, der 2017 ein Vorstellungsgespräch mit einem „Roboter“ absolviert hatte – der Beginn von Schellmanns achtjähriger Recherche. ### 1. KI-basierte Bewerbungsverfahren würden Millionen Menschen treffen Schellmann berichtet, dass große Unternehmen wie Google jährlich etwa drei Millionen Bewerbungen erhalten, IBM fünf Millionen. „Sie fühlen sich von Bewerbungen überschwemmt“, weshalb KI-Systeme zunehmend zur Vorauswahl eingesetzt würden – ohne dass Bewerber:innen dies merken. ### 2. Algorithmen würden diskriminierende Muster verstärken Ein Tool habe festgestellt, dass der Vorname „Thomas“ prädiktiv für Erfolg sei. „Was wahrscheinlich passiert ist: Eine Firma gab dem Tool Lebensläufe erfolgreicher Mitarbeiter, darunter viele Thomases. Die KI fand das statistische Muster – plötzlich war Thomas ein Proxy für Erfolg.“ ### 3. Bewerber:innen würden sich mit KI gegen KI wehren Schellmann beschreibt neue Taktiken: „Weiße Schrift“ in Lebensläufen, ChatGPT-optimierte Bewerbungen, sogar Deepfakes in Video-Interviews. „Ich habe mich selbst deepgefaked – neben dem Computer getippt und eine künstliche Stimme antworten lassen. Ich wurde hoch bewertet.“ ### 4. Arbeitsplatzüberwachung würde Produktivitätstheater erzeugen Pandemie-bedingt hätten acht der zehn größten US-Arbeitgeber Überwachungssoftware installiert, die Tastenanschläge, Gesichtsaufnahmen und Slack-Nachrichten analysiere. Die Folge: „Mitarbeiter entwickeln Mouse-Jiggler, um die Maus zu bewegen, während sie den Hund Gassi führen.“ ### 5. Die Datenbasis sei von vornherein verzerrt Performance-Bewertungen, auf denen viele KI-Systeme trainieren würden, seien selbst voreingenommen: „Frauen, People of Color und Menschen mit Behinderungen werden unterschätzt, obwohl sie dieselben Leistungen erbringen.“ ### 6. Vielfalt in Entwicklungsteams sei essentiell Ein Spiel zur Persönlichkeitsanalyse verlange, die Leertaste möglichst schnell zu drücken. Erst ein Gespräch mit einem querschnittsgelähmten Tester habe gezeigt: „Was ist mit Menschen mit motorischen Behinderungen?“ ## Einordnung Der Podcast präsentiert sich als aufklärerisches Format, das komplexe Zusammenhänge zwischen Technologie und Arbeitswelt verständlich vermittelt. Die journalistische Qualität ist hoch: Schellmann liefert konkrete Beispiele, belastbare Zahlen und kritische Einordnungen. Besonders bemerkenswert ist, dass hier nicht einfach „KI löst alles“ propagiert wird, sondern systematisch auf Fehlentwicklungen und Machtasymmetrien hingewiesen wird. Die Diskussionskultur ist offen, el Kaliouby stellt nachvollziehbare Fragen ohne Verteidigung eigener Interessen – auch wenn sie die ehemalige Kooperation mit HireVue anspricht. Was fehlt, sind die Perspektiven der KI-Anbieter:innen selbst und eine tiefere Auseinandersetzung mit regulatorischen Lösungsansätzen. Dennoch gelingt es dem Format, die vermeintliche Neutralität von Algorithmen als Konstrukt menschlicher Entscheidungen zu entlarven. Hörempfehlung: Eine der seltenen Gelegenheiten, komplexe KI-Probleme ohne Technik-Begeisterung oder Angstmache nüchtern durchzudenken – besonders wertvoll für alle, die sich aktuell bewerben oder einstellen.