Im fünften Teil der ARD-Reihe „Hateland – Deep State“ beleuchten die Reporter:innen die Gründungstruppe um den ehemaligen Elite-Soldaten Rüdiger von Pescatore. Nach Monaten der Absage erhält Reporter Martin Kaul die einzige Zusage für ein Gespräch aus dem Gefängnis: Ex-KSK-Soldat Maximilian Eder, der sich trotz Anwaltswarnung äußert. Der Podcast rekonstruiert ein Treffen am 1. November 2021 in einem Frankfurter Gasthaus, bei dem laut Anklage neben Pescatore und Eder auch Prinz Reuß, der Ex-Soldat Peter Wörner („Wolf“) und die ehemalige Bundestags-Mitarbeiterin Birgit Malsack-Winkemann alias „Astrohilde“ anwesend sein sollen. Es geht um militärisches Know-how, Finanziers, Netzwerke und esoterische Weltbilder – bis hin zur Überzeugung, Politiker würden in unterirdischen Bunkern satanische Rituale an Kindern durchführen. Die Folge wirft die Frage auf: Wie gefährlich war diese bunte Mischung aus Reichsideologie, QAnon-Elementen und Bundeswehr-Strukturen tatsächlich? ### 1. Pescatores Rückkehr nach Deutschland soll den Umsturz einläuten Laut Anklage flog Rüdiger von Pescatore am 31. Oktober 2021 aus Brasilien nach Frankfurt, um sich mit seinen Mitverschwörern zu treffen. Ein Chatverlauf zeigt, wie Peter Wörner den Prinzen Reuß bittet, Pescatore persönlich aufzunehmen: „Ich bitte Sie, meinen ehemaligen Kommandeur Rüdiger von Pescatore aufzunehmen.“ Der Termin sei „erster 11. um 19 Uhr in Frankfurt am Main möglich?“. Reuß willigt ein – „Selbstverständlich, für meinen Kommandeur immer“ – und sichert für ihn zu. Die Bundesanwaltschaft wertet das später als Beleg für eine strukturierte Vorbereitung eines bewaffneten Umsturfs. ### 2. Maximilian Eder: vom KSK-Stabschef zum QAnon-Promi Eder galt als „Mann mit dem größten militärischen Know-how“ innerhalb der Gruppe. Nach seiner Pensionierung stieg er zu einer „Galionsfigur der Querdenker-Szene“ auf, reiste von Demo zu Demo und hielt laut Anklage „lange, ausschweifende Monologe“. Er glaubt an unterirdische Bunker, in denen Politiker „satanische Rituale an Kindern durchführen“, und will diese „Erdlöcher ausfindig machen“. Trotz seines Anwalts spricht er im Gefängnis frei ins Mikrofon – ein Risiko, das laut Kaul nur wenige Beschuldigte eingehen. ### 3. Die Gruppe mixt Reichsideologie, Esoterik und Militärstrukturen Die Anklage wirft den Angeklagten vor, eine „terroristische Vereinigung“ gegründet zu haben. Die Mischung ist laut Recherche bunt: ein Prinz mit „goldener Pyramide im Garten“, eine ehemalige AfD-Mitarbeiterin als „spirituelle Beraterin“ auf Steuerzahler-Kosten, ein Ex-Soldat mit Reichs-Symbolik und ein deutscher Offizier mit Elite-Ausbildung. Sie vereint die Vision eines „anderen Deutschlands“, für die sie „bereit sind zu kämpten“. In Chats kursieren Parolen wie „Dieses Volk schützt unser Land“ und die Drohung, das KSK „nach Berlin zu schicken“. ### 4. Die Gefahr beginnt mit Ideen, nicht mit Waffen Die Reporter:innen betonen, dass extremistische Entwicklungen „meistens nicht mit Gewalt beginnen, sondern mit Ideen, die am Anfang kaum jemand ernst nimmt“. Doch „irgendwann sind sie überall“. Die Folge zeigt detailliert, wie aus scheinbar losen Verschwörungsmythen, Reichsbürger-Symbolik und militärischer Kompetenz eine konkrete Bedrohung erwachsen kann – bis hin zu Plänen für einen bewaffneten Sturm auf den Bundestag. ## Einordnung Die ARD-Produktion operiert auf professionellem journalistischen Niveau: akribische Recherche, original abgehörte Chats, Gerichts- und Geheimdienstquellen, dazu ein klares Narrationsgerüst, das die Hörer:innen Schritt für Schritt an die Grenzen des demokratischen Rechtsstaats führt. Besonders gelungen ist die Einbettung in den gesellschaftlichen Kontext: Die Reporter:innen zeigen, wie Verschwörungsideologien, antisemitische Stereotype und militaristische Ressentiments ineinander übergehen. Die Gruppe wird dabei nicht als Collection skurriler Einzeltäter:innen präsentiert, sondern als Netzwerk mit hierarchischen Strukturen, finanziellen Ressourcen und konkreten Vorbereitungen. Die Journalist:innen bleiben in der Wertung zurückhaltend, lassen Akten, Chats und Zeugenaussagen für sich sprechen – ein Stil, der der Gefahr entgegenwirkt, die Täter:innen zu mystifizieren oder zu verharmlosen. Perspektivisch dominiert der Blick von außen: Weder die Angeklagten noch Anwalt:innen oder Unterstützer:innen erhalten viel Raum für Relativierungen. Das schützt vor False Balance, verwehrt aber auch Einblicke in die innere Logik der Szene. Die Folge liefert keine einfachen Antworten auf die Frage, wie gefährlich die Gruppe war – sie zeigt vielmehr, wie schwer sich Staat und Gesellschaft mit dem Phänomen eines „inneren Feindes“ tun, der aus eigenen Reihen stammt.