c’t uplink - der IT-Podcast aus Nerdistan: Enshittification: wenn gute Produkte und Webdienste verhunzt werden | c’t uplink

Die c't-uplink-Folge erklärt das Phänomen der "Enshittification" anhand konkreter Beispiele und diskutiert Strategien gegen den gezielten Produktverfall.

c’t uplink - der IT-Podcast aus Nerdistan
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Der c't-uplink-Podcast widmet sich dem Phänomen der "Enshittification" – dem gezielten Verfall von Produkten und Diensten zugunsten höherer Gewinne. Moderator Keywan Tonekaboni diskutiert mit den c't-Redakteur:innen Jan Mahn und Ulrike Kuhlmann über Beispiele wie Smart-TVs mit Zwangsanmeldung, Streaming-Fragmentierung und Software-Abo-Modelle. Sie analysieren Ursachen wie Feature-Creep, Plattformstrategien und Datengeschäftsmodelle. Als Lösungen werden bewusste Kaufentscheidungen, Open-Source-Alternativen und Hardware-Regulierung diskutiert. ### Smart-TVs erzwingen nutzlose Accounts Ulrike Kuhlmann berichtet, dass moderne Smart-TVs ohne Anmeldung beim Hersteller selbst grundlegende Funktionen wie YouTube oder Mediatheken blockieren: "Ich kann das einfach nicht nutzen, wenn ich mich nicht anmelde" – obwohl die YouTube-App bereits vorinstalliert ist. ### Streaming-Dienste verschlechtern sich systematisch Die Redakteur:innen zeigen, wie Netflix und Amazon Prime von übersichtlichen Angeboten zu fragmentierten Tarifen mit Werbung und Zusatzkosten mutierten: "Bei Amazon finde ich es noch schlimmer, da hast du vermeintlich einen Videostream, wofür du bezahlst, aber in Wirklichkeit musst du für mindestens jeden zweiten Film nochmal extra bezahlen". ### Software wird zu Datensammlern umfunktioniert Jan Mahn erklärt, wie Hersteller durch Account-Pflichten aus einmaligen Käufen lukrative Datengeschäftsmodelle machen: "Ich will die Daten sammeln, die brauche ich ja auch für so eine Plattform. Da kann man ja nicht nur Produkte verbessern und personalisieren, sondern auch ganz viel Werbung einspielen". ### Hardware-Hersteller sabotieren Eigentumsrechte Die Diskussion verdeutlicht, wie Käufer:innen durch Cloud-Pflichten zu Abonnent:innen degradiert werden: "Hardware ist nichts mehr wert und einmalige Erlöse sind ja in der Welt scheinbar auch nichts wert. Ich möchte ja eben Accountpflicht und Plattform sein". ### Touchscreens als fragwürdiger Fortschritt Ein Beispiel für "Feature-Creep": Hersteller ersetzen zuverlässige Drehknöpfe durch Touchscreens, nicht aus Nutzerfreundlichkeit, sondern um Entwicklungskosten zu sparen: "Ich kann also mein Herd auf den Markt schmeißen, ohne dass das Problem gelöst ist". ### Drucker als perfekte Enshittification-Beispiele HPs Tintenabo-Modell demonstriert die perfekte Verschlechterung: "Ich muss mich nicht kümmern. Ich kriege automatisch, immer wenn meine Tinte, bevor meine Tinte leer ist, kriege ich eine neue zugeschickt. Voraussetzung ist natürlich, ich muss mich anmelden, der Drucker muss immer im Netz sein". ## Einordnung Die Episode demonstriert beispielhaft journalistische Qualität: Die Redakteur:innen analysieren strukturiert ein komplexes Phänomen ohne erhobenen Zeigefinger. Besonders bemerkenswert ist die differenzierte Betrachtung – sie unterscheiden sorgfältig zwischen versehentlichen Usability-Fehlern und bewussten Verschlechterungsstrategien. Die Perspektive bleibt konsequent auf Verbraucher:innen fokussiert, während sie die wirtschaftlichen Zwänge der Hersteller transparent macht. Die Diskussionskultur ist angenehm sachlich, mit Raum für persönliche Erfahrungen ohne Anekdötchen-Überfrachtung. Kritisch anzumerken: Die Lösungsansätze bleiben überwiegend auf individuelle Konsumentscheidungen beschränkt, strukturelle Machtfragen werden zwar benannt, aber nicht vertieft. Die Forderung nach Hardware-Regulierung als "halbe Miete" wirkt dagegen erfrischend konkret.