Andrew Huberman und David DeSteno diskutieren in dieser über zweistündigen Folge die Schnittmenge von Wissenschaft und Glaube. DeSteno argumentiert, die Frage nach Gottes Existenz sei wissenschaftlich nicht entscheidbar – weder beweis- noch widerlegbar – und plädiert stattdessen für eine evidenzbasierte Betrachtung religiöser Praktiken. Längsschnittstudien würden zeigen, dass Menschen, die sich aktiv mit Religion auseinandersetzen, über 15–20 Jahre hinweg eine um 30 % geringere Sterblichkeit aufweisen würden. Meditation und Gebet wirkten über vagale Mechanismen stressreduzierend und erhöhten nachweislich Empathie und Ehrlichkeit. Die beiden sprechen auch über die Funktion von Ritualen im Trauerprozess, die Rolle von Gemeinschaft versus Kult und die Relevanz von 12-Schritte-Programmen oder Burning Man als moderne spirituelle Ersatzformate. DeSteno fordert eine „Religio-Prospecting“-Strategie: traditionelle Praktiken systematisch wissenschaftlich zu testen, ohne metaphysische Debatten führen zu müssen. ### Religion als evidenzbasierter Gesundheitsfaktor DeSteno berichtet epidemiologische Daten, wonach Menschen mit regelmäßiger religiöser Praxis eine um 30 % niedrigere Allkrebsmortalität und 25 % weniger kardiovaskuläre Ereignisse erleben würden. Die Effektstärke sei größer als bei reinen Sozialnetzwerken, was auf spezifische Praktiken hindeute. ### Meditation erhöht Empathie nachweislich In einem Laborexperiment stieg die Wahrscheinlichkeit, einer vermeintlich verletzten Person zu helfen, durch achtwöchige Meditationspraxis von 15 % auf fast 50 %. Gleichzeitig sank die Bereitschaft zu Racheakte deutlich. ### Gebet wirkt über Atemmuster Formelhaftes Gebet reduziert Atemfrequenz und verlängert Exspiration, was vagale Aktivität erhöht, Herzfrequenz senkt und Stresshormone absinken lässt – auch wenn der Inhalt des Gebets belastend ist. ### Ritualisierte Trauer schützt vor Einsamkeit Trauer- und Shiva-Rituale würden soziale Kohäsion stärken und das Risiko von Depressionen nach Verlusten mindern. ### Grenzziehung zwischen Religion und Kult DeSteno beschreibt Kulte als Gruppen mit totalitärer Kontrolle, Isolation und wirtschaftlicher Ausbeutung, während Religionen idealerweise Freiwilligkeit und Pluralität ermöglichten. ### Moderne spirituelle Gemeinschaften Burning Man oder 12-Schritte-Programme würden traditionelle Religionsfunktionen übernehmen: Gemeinschaft, Sinnstiftung und Ersatz für fehlende Rituale in säkularisierten Gesellschaften. ## Einordnung Die Folge präsentiert sich als sorgfältig moderiertes, wissenschaftlich argumentierendes Gespräch, das religiöse Praktiken nicht sakralisiert, sondern funktional betrachtet. Huberman und DeSteno umgehen geschickt polarisierende Positionen, indem sie metaphysische Fragen ausklammern und stattdessen messbare Effekte fokussieren. Die Diskussionskultur bleibt respektvoll, auch wenn die Perspektive klar US-amerikanisch und christlich geprägt ist – andere Weltreligionen werden kaum erwähnt. Kritikwürdig ist die teils selektive Datenpräsentation: Effektgrößen werden ohne Konfidenzintervalle genannt, und mögliche Confounder in Beobachtungsstudien werden zwar angesprochen, aber nicht vertieft. Dennoch gelingt es den Sprecher:innen, ein heikles Thema evidenzbasiert und zugleich empathisch zu behandeln. Wer nach einem nüchternen, aber offenen Zugang zu Spiritualität und Gesundheit sucht, findet hier eine fundierte Orientierung.