netzpolitik.org: Genomische Daten von Neugeborenen: „Das würde ganz neue Begehrlichkeiten wecken“
Eine kritische Analyse der Pläne für ein Genom-Screening bei Neugeborenen und der Gefahr des "gläsernen Babys".
netzpolitik.org
10 min readDer Newsletter von netzpolitik.org präsentiert ein Interview mit der Molekularbiologin Isabelle Bartram vom Gen-ethischen Netzwerk, das sich kritisch mit der Debatte um ein genomisches Neugeborenen-Screening auseinandersetzt. Bartram warnt eindringlich vor den weitreichenden Folgen einer vollständigen Analyse des Erbguts von Säuglingen. Während Befürworter:innen eine bessere Gesundheitsvorsorge versprechen, stellt sie die erheblichen Risiken in den Vordergrund und kritisiert, dass in Deutschland die Rahmenbedingungen für eine solche Praxis geschaffen werden, obwohl viele ethische Fragen ungeklärt sind.
Ein zentrales Argument Bartrams ist die Gefahr der Schaffung einer nationalen DNA-Datenbank. Sie befürchtet, dass dieser „Datenschatz“ nicht nur für die Forschung genutzt, sondern auch Begehrlichkeiten bei Strafverfolgungsbehörden wecken könnte. Zudem stellt sie den medizinischen Nutzen infrage, da der Nachweis von Krankheitsrisiken, die sich womöglich nie manifestieren, zu unnötigen Behandlungen und einer lebenslangen psychischen Belastung führen kann. „Was macht das mit Leuten, wenn sie wissen, dass sie ein hohes Risiko für Krebs haben?“, fragt sie rhetorisch. Bartram betont außerdem das Problem der informierten Einwilligung, da Eltern in der extrem belastenden Situation nach einer Geburt eine Entscheidung mit lebenslangen Konsequenzen für ihr Kind treffen müssten.
## Einordnung
Der Text präsentiert ausschließlich die kritische Perspektive von Isabelle Bartram, wodurch die Argumente von Befürworter:innen des Screenings unterrepräsentiert bleiben. Die Argumentation fußt auf der Annahme, dass einmal erhobene Daten unweigerlich Begehrlichkeiten wecken und ihr Zweck ausgeweitet wird. Im Kern steht die Verteidigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und auf Nichtwissen, das hier dem Kind zugesprochen wird, über dessen Kopf hinweg entschieden wird. Die Positionierung ist klar bürgerrechtlich und richtet sich gegen einen unreflektierten Technik-Optimismus.
Durch den Verweis auf die Gefahren bei einem politischen „Rechtsruck“ wird die Debatte in einen größeren gesellschaftspolitischen Kontext eingebettet. Der Newsletter ist sehr lesenswert für alle, die eine fundierte Kritik an den gesellschaftlichen Folgen neuer Gentechnologien suchen. Er liefert ein wichtiges Korrektiv zu rein positiven Darstellungen medizinischen Fortschritts und ist besonders für (werdende) Eltern und an Bioethik interessierte Leser:innen relevant.
Länge des Newsletters: 9878