Ones and Tooze: Tariffs and Gaza

Fundierte Analyse der wirtschaftlichen und humanitären Folgen von Trumps Handelspolitik und Israels Gaza-Blockade.

Ones and Tooze
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In der aktuellen Folge von "Ones and Tooze" analysieren Adam Tooze und Cameron Abadi die wirtschaftlichen Folgen der neuen US-Zölle unter Trump und die Hungerkrise im Gazastreifen. Tooze erklärt, dass die von Ökonom:innen vorhergesagte Inflation zwar verzögert, aber bereits sichtbar sei – insbesondere bei Handelsgütern. Er vergleicht die Situation mit dem Brexit, bei dem die negativen Effekte ebenfalls erst nach und nach zutage traten. Die von der Trump-Administration propagierte Rückholung von Produktion in die USA sei bisher kaum messbar, vielmehr würden Großunternehmen durch persönliche Deals beeinflusst. Die EU habe sich in einem von Tooze als „realistisch“ bezeichneten Deal mit den USA geeinigt, wobei fraglich sei, ob die zugesagten Energieimporte überhaupt realisierbar sind. Im zweiten Teil diskutieren die beiden die bewusste Nahrungsmittelblockade gegen Gaza. Tooze bezeichnet die israelische Politik als „indiskriminierenden Massenmord“ und verweist auf die historische Einordnung als Völkermord laut UN-Definition. Die humanitäre Situation sei durch politische Blockaden und das Fehlen verlässlicher Verteilstrukturen weiter verschärft. ### Die US-Zölle: Inflation und wirtschaftliche Folgen Tooze widerspricht der Einschätzung, Ökonom:innen hätten sich mit ihren Warnungen geirrt. Er betont: „The key word in your setup there was we haven't seen the effects yet.“ Die Inflation zeige sich bereits in Güterpreisen, wobei die vollständigen Auswirkungen erst in Monaten oder Jahren sichtbar würden. Die Zölle träfen vor allem einkommensschwache US-Konsument:innen. ### Geopolitik der Zölle: EU-Deal und globale Machtspiele Die EU habe sich mit einem 15 %-Zoll-Deal „aus Schwäche heraus realistisch“ verhalten. Tooze hält die Zusage, künftig 650 Milliarden Dollar US-Energie zu importieren, für unrealistisch: „They sold him something which doesn't exist.“ ### Indien: Verwirrung statt Strategie Die US-Politik gegenüber Indien wirke „bamboozling“. Tooze kritisiert, dass Trump offenbar nicht verstehe, dass Indien unter Modi US-Landwirtschaftsimporte politisch nicht durchsetzen könne: „Modi just kind of looks at him and goes like, what are you talking about? No way.“ ### Gaza: Völkermord durch gezielte Hungerblockade Tooze bezeichnet die israelische Politik als klaren Fall von Völkermord gemäß UN-Definition: „Deliberately inflicting on the group conditions of life calculated to bring about its physical destruction.“ Die Blockade sei kein „Nahrungsmittelproblem“, sondern politisch motivierte Massentötung. ### Humanitäre Logik: Macht durch Kontrolle über Nahrung In der von Israel kontrollierten Zone werde politische Legitimität durch den Zugang zu Nahrung definiert. Die Verteilung sei „massiv politisiert“, wobei die UN ausgeschlossen und milizähnliche Gruppen gefördert würden. ## Einordnung Die Folge zeigt ein journalistisches Format mit hohem Anspruch: Tooze liefert tiefgehende, historisch fundierte Analysen und differenziert sorgfältig zwischen politischem Kalkül und ökonomischen Realitäten. Die Diskussionskultur ist sachlich, ohne polemische Überzeichnung. Besonders bemerkenswert ist die klare sprachliche Benennung von Völkermord in Gaza – ein Tabubruch in vielen westlichen Medien. Die Perspektiven sind breit gefächert, allerdings fehlen direkte Stimmen aus den betroffenen Regionen. Die Analyse der US-Handelspolitik entlarvt die Unvereinbarkeit von Trumps „Gulliver-Modell“ mit globaler Realpolitik. Die Verbindung von historischem Wissen und aktueller politischer Analyse macht diese Folge zu einer wertvollen, wenn auch teils beunruhigenden Informationsquelle. Hörempfehlung: Wer fundierte Einordnungen zu globalen Wirtschafts- und Machtfragen sucht, bekommt hier eine klare, wenn auch düstere Analyse geliefert – besonders wertvoll für das Verständnis der langfristigen Folgen der US-Zollpolitik und der humanitären Katastrophe in Gaza.