Der SPIEGEL-Shortcut-Podcast "Von Geburt an fremd – Rassismus im deutschen Gesundheitswesen" beleuchtet strukturellen Rassismus in Klinik und Praxis. Moderator Maximilian Sepp spricht mit dem Gynäkologen und Autor Dr. Merjan Usluer über Diskriminierungserfahrungen von Patient:innen und medizinischem Personal. ### 1. Rassistische Stereotype beeinflussen medizinische Behandlung Usluer berichtet, dass bis heute Formeln verwendet würden, die "vermeintliche Rasse" zur Berechnung von Nierenfunktionen heranzögen. Diese biologisch nicht existente Kategorie würde zu Fehldiagnosen und ungleicher Behandlung führen. ### 2. Historische Experimente prägen bis heute medizinische Praxis Das klassische Gynäkologie-Instrument Spekulum stamme von J. Marion Sims, der seine Erkenntnisse an versklavten schwarzen Frauen ohne Betäubung gewonnen habe. Die Annahme, schwarze Frauen seien weniger schmerzempfindlich, halte sich bis heute in Teilen der Medizin. ### 3. Sprachbarrieren als strukturelles Problem Patient:innen mit eingeschränkten Deutschkenntnissen würden systematisch schlechter versorgt. Usluer fordere politische Lösungen statt individueller Überforderung des medizinischen Personals. ### 4. Wissenschaftlich belegte gesundheitliche Folgen von Diskriminierung Studien zeigten, dass rassistische Diskriminierung zu erhöhter Sterblichkeit, Herzinfarkten und psychischen Erkrankungen führe. Jede dritte rassistisch markierte Person gebe an, beim Arzt nicht ernst genommen zu werden. ### 5. Soziale Medien als Werkzeug für medizinischen Wandel Usluers TikTok-Videos über Schmerzen beim Spiraleinsetzen hätten zu neuen US-amerikanischen Leitlinien geführt. Dies demonstriere die gesellschaftliche Relevanz seiner Arbeit trotz massiver Hasskommentare. ## Einordnung Die Folge zeigt SPIEGEL-Shortcut in seiner journalistischen Stärke: komplexe Themen verständlich aufbereitet, mit konkreten Beispielen und wissenschaftlicher Grundlage. Die Moderationsführung durch Maximilian Sepp gelingt ausgewogen – kritische Nachfragen ohne erhobenen Zeigefinger. Besonders bemerkenswert ist die Selbstreflexion des Arztes Usluer, der eigene Privilegien und strukturelle Probleme benennt, ohne Kolleg:innen pauschal zu beschuldigen. Die Perspektive rassifizierter Menschen wird konsequent zentriert, ohne dabei weiße Dominanz zu reproduzieren. Die Verknüpfung historischer Kolonialstrukturen mit aktueller Praxis gelingt überzeugend. Einziger Wermutstropfen: Die Lösungsansätze bleiben etwas vage, wobei die strukturelle Ebene klarer adressiert wird als individuelle Handlungsoptionen. Für alle, die sich für strukturellen Rassismus und Gesundheit interessieren, eine klare Hörempfehlung.