Der Tag: Vorbereitet auf den Ernstfall - Was Deutschland von Finnland lernen kann
Finnlands Wehrpflicht, Bunker und Grenzschutz als Modell für Europa – und der deutsche Fußball, der sexuelle Übergriffe systematisch ignoriert.
Der Tag
33 min read1629 min audioIm Deutschlandfunk-Podcast "Der Tag" vom 24. September 2025 diskutieren Sarah Zerback und Korrespondent:innen zwei zentrale Themen: Finnlands Krisenvorsorge im Angesicht russischer Bedrohungen und sexuellen Machtmissbrauch im deutschen Fußball. Klaus Remme berichtet vor Ort aus Finnland, wie das Land durch Wehrpflicht, zivile Schutzbunker und geschlossene Grenzen auf mögliche Konflikte vorbereitet ist. Im zweiten Teil spricht Andreas Schke über eine Umfrage von "11 Freunden" und Korrektiv, in der 500 Betroffene über sexualisierte Gewalt im Fußball berichten. Er erzählt vom Fall eines Trainers, der sich als Physiotherapeut ausgab und mehrere Jungen missbrauchte – ein strukturelles Problem, das laut Kritik vom DFB nicht konsequent angegangen wird. Zudem droht das Auslaufen eines Fonds für Betroffene, was viele Betroffene in ihrer Versorgung gefährde.
### Finnland habe eine konsequente Krisenvorsorge-Kultur entwickelt
Die finnische Gesellschaft habe eine tiefe gesellschaftliche Konsensbildung erreicht, dass Wehrpflicht, Bunkerbau und Grenzschließungen notwendige Schutzmaßnahmen seien. Wie Ex-Präsident Niinistö betone, diene die Wehrpflicht nicht nur der Verteidigung, sondern auch dem sozialen Zusammenhalt. Die Finnen hätten gelernt, sich nicht auf Nachbar Russland verlassen zu können – "wir sind diejenigen, die anders sind als ihr", heiße es dort.
### Finnland habe 90 % der Bevölkerung mit Schutzräumen versorgt – Deutschland kaum funktionsfähige
Während in Finnland 90 % der Menschen Zugang zu öffentlichen Schutzräumen hätten, die teils als Sportstätten genutzt würden, gebe es in Deutschland lediglich 579 solcher Räume – „kein einziger einsatzbereit“. Finnland habe ein modernes Sicherheitskonzept seit 2003, das alle gesellschaftlichen Ebenen einbeziehe. Die Bevölkerung wisse, dass sie in den ersten 72 Stunden eines Notfalls selbstversorgend sein müsse.
### Deutsche Fußballstrukturen würden sexuelle Übergriffe systematisch verdecken
In einer gemeinsamen Umfrage von "11 Freunden" und Korrektiv hätten 500 Kinder und Jugendliche über sexualisierte Gewalt im Fußball berichtet. Oft werde Tätern durch mangelnde Kontrollen und Schweige-Kultur Tür und Tor geöffnet. Der Fall eines Trainers, der sich als Physiotherapeut ausgebe und in Kabine 2 schwere sexuelle Gewalt an 25 Jungen verübt habe, zeige: "Jeder wusste Bescheid", doch es habe lange gedauert, bis der Verein Anzeige erstattete – der Täter sei „im gegenseitigen Einvernehmen“ gegangen.
### Bundesregierung drohe Betroffenenhilfe durch Fondsstopp zu kappen
Die unabhängige Missbrauchsbeauftragte Kerstin Klaus kritisere, dass der Fonds für Betroffene sexualisierter Gewalt nicht fortgeführt werde. Menschen wie „Henry“ seien auf Zahlungen angewiesen, etwa um Therapielücken zu überbrücken oder sich Assistenzhunde leisten zu können. Ohne finanzielle und symbolische Anerkennung „bricht für manche eine ganze Welt zusammen".
## Einordnung
Der Podcast zeigt journalistische Professionalität: beide Themen werden klar recherchiert, mit Belegen untermauert und betroffene Perspektiven eingebunden. Besonders der Vergleich finnischer Zivilverteidigung mit deutscher Unvorbereitungheit liefert brisante Relevanz. Die Fußball-Recherche entlarvt ein strukturelles Versagen von Vereinen, DFB und Politik, ohne in Moralkeulen zu verfallen. Kritikpunkte gibt es kaum: weder werden Expert:innen-Perspektiven ausgelassen, noch werden Behauptungen ohne Belege stehen gelassen. Die Sprecher:innen verzichten auf Panikmache oder Polemik und liefern stattdessen kontextreiche Analysen. Dennoch bleibt eine Frage offen: Warum erst jetzt über Missbrauch im Fußball berichtet wird, obwohl das strukturelle Problem bekannt ist. Insgesamt bietet die Sendung eine informative, sorgfältig produzierte Auseinandersetzung mit zwei sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Brisanzthemen.