Paul Ronzheimer spricht mit dem WDR-Recherchereporter Florian Flade über dessen gemeinsame Recherche mit NDR und SZ zu russischen Unterwasser-Spionageaktivitäten in der Ostsee und der Arktis. Flade berichtet, wie über eine zypriotische Tarnfirma jahrelang westliche Dual-use-Technik (Unterwasserroboter, Sonare, Kabelverlegeschiffe) nach Russland gelangte und dort in ein geheimes frühwarnendes Unterwassernetz („Harmonie“) für Atom-U-Boote einfließt. Die Gespräche zeigen, dass Russland das Rückgrat der NATO-Unterwasserabwehr aus den 1990ern gezielt ausnutzt, während westliche Marinen erst wieder anfangen, entsprechende Sensoren und Patrouillen aufzustocken. Flade plädiert für mehr Transparenz und zivilen Bevölkerungsschutz, weil Deutschland seiner Einschätzung nach strukturell unter Vorbereitet sei. ### 1. Westliche Technik schützt Putins Atom-U-Boote Die Recherchen zeigen, dass über Jahre hinweg deutsche und europäische Firmen hochsensible Komponenten wie Unterwassermikrofone, Glasfaserkabel und Seesensoren lieferten, die in ein russisches Frühwarnnetz („Harmonie“) vor der Barentssee einfließen und dort strategische Atom-U-Boot-Positionen sichern sollen. „Westliche Technik schützt die Atomwaffen, mit denen Putin uns bedroht“, konstatiert Flade bestürzt. ### 2. Estonia-Wrack als geheimer Trainingsplatz Die 1994 gesunkene Fähre Estonia liegt in der finnischen Wirtschaftszone unter Tauchverbot. Laut Flade nutzte Russland das Wrack offenbar, um autonome Unterwasser-Drohnen zu testen und akustische Signaturen westlicher Schiffe aufzuzeichnen. „Es gibt Hinweise, dass Russland da mit Drohnen geübt hat, zu navigieren“, sagt der Journalist. ### 3. Akustische Fingerabdrücke als Schlüssel für autonome Waffen Jedes Schiff erzeuge einen individuellen Geräusch-„Fingerabdruck“. Wer diesen akustischen Satz sammle, könne passive Minen oder Drohnen programmieren, die erst auf diesen spezifischen Klang aktiv werden – ein Verfahren, das laut Flade längst Realität sei. „Du kannst Seeminen damit einspeichern diesen Sound, dass sie nur hochgehen, wenn dieses eine Schiff vorbeifährt.“ ### 4. Deutsche Nachrichtendienste stehen vor personellem und rechtlichem Neuanfang Der künftige BND-Chef Martin Jäger kündigt „mehr operative Risiken“ an: klassische Agent:innen-Anwerbung, Cyber-Operationen, mögliche Sabotage-Vorbeugung. Bisher durfte der BND offiziell nur „Informationen gewinnen“, nicht aktiv eingreifen. Flade hält die geplante Reform für überfällig, warnt aber: „Dafür brauchst du politische Rückendeckung, wenn mal was schiefgeht.“ ### 5. Ostsee wird zur „umkämpften“ Region zurück Seit dem Ende des Kalten Krieges seien westliche Unterwasser-Abhörsysteme abgebaut worden; nun werde die Ostsee zum „neuen Weltall“ militärischer Geheimdienste. Russland habe mit seiner Spezialtruppe GUGI ein Wissens- und Technik-Vorsprung, während die NATO erst wieder Patrouillen verstärke und Sensoren aufstelle. „Die Aktivitäten haben mindestens das Level aus dem Kalten Krieg erreicht“, so Flade. ## Einordnung Der Podcast arbeitet kein klassisches Experten-Interview, sondern folgt dem Prinzip „Reporter erzählt Reporter“, was der Sendung journalistische Authentizität, aber auch eine gewisse Einseitigkeit verleiht. Ronzheimer bleibt durchgehend in der Moderator-Rolle, widerspricht nicht und liefert kaum externe Gegenstimmen – etwa von Bundeswehr, BND oder Wissenschaft. So entsteht eine dramaturgisch dichte, aber argumentativ schmale Bedrohungsnarration. Die These vom „geheimen Krieg unter der Ostsee“ wird durch geleakte Listen und Gerichtsakten plausibel, doch alternative Erklärungen (z. B. zivile Forschung, Handels-Route-Exploration) bleiben unerwähnt. Zivil-militärische Expert:innen oder betroffene Anwohner:innen kommen nicht zu Wort; Perspektive und Deutungshoheit liegen ausschließlich bei den investigativen Journalist:innen. Positiv hervorzuheben ist die klare Sprache und das Verzichten auf überzogene Klickköder; die Rechercheergebnisse werden transparent als Indizienkette präsentiert. Kritisch anzumerken ist, dass sich die Sendung auf einen möglichen – nicht belegten – Kriegsfall stützt und Szenarien wie Sabotage, Minen oder atomare Gefechte diskutiert, ohne dabei aktuelle diplomatische oder zivilrechtliche Schutzmaßnahmen einzuordnen. Die Fokussierung auf russische Bedrohung entspricht dem publizistischen Markt, verengt jedoch den Blick auf gemeinsame europäische Sicherheitsinteressen und Rüstungskontrolle. Wer geopolitische Zusammenhänge und technische Details sucht, erhält einen spannenden, aber keinen ausgewogenen Einblick. Hörwarnung: Wer eine nüchterne, kontroverse Auseinandersetzung mit Ostsee-Sicherheitspolitik erwartet, bekommt hier eindrucksvolle Storytelling-Elemente, aber wenig Gegenpositionen oder alternative Lösungsansätze.