Psychologie to go!: Wie du deine Stärken erkennst (und zur Superkraft ausbaust)
In der Folge "Studien zeigen klar: Menschen, die ihre Stärken kennen, sind glücklicher" erklären zwei Expert:innen, wie man mit dem VIA-Modell seine 24 Charakterstärken entdeckt und gezielt ausbaut – zwischen Selbsttest, Fremdbild und Flow-Tagebuch.
Psychologie to go!
47 min read2704 min audioDer Podcast "Psychologie To Go" ist ein Unterhaltungsformat mit dem Anspruch, psychologische Themen alltagstauglich aufzubereiten. In der Folge "Studien zeigen klar: Menschen, die ihre Stärken kennen, sind glücklicher" (Originaltitel) erklären die verheirateten Sprecher:innen Franca Cerutti (Psychotherapeutin) und Christian Weiß (Facharzt für Psychiatrie), wie Zuhörer:innen mithilfe des wissenschaftlich umstrittenen VIA-Modells von Martin Seligman 24 positive Charaktereigenschaften (Tugenden) identifizieren und gezielt ausbauen können. Sie unterscheiden dabei zwischen Stärken, Talenten und Fertigkeiten, empfehlen einen Online-Fragebogen, ein Tagebuch der Flow-Momente und das gezielte „Aufpumpen“ der Top-5-Stärken. Die Sendung wirbt mit kleinen Effektstudien für mehr Lebenszufriedenheit und warnt gleichzeitig vor überzogenen Heilsversprechen.
### 1. Seligmans 24 „Tugenden" sollen messbar machen, was einen stark macht
Die Autor:innen des VIA-Inventars hätten laut Christian aus philosophischen, religiösen und kulturellen Quellen 24 positive Eigenschaften (z. B. Neugier, Dankbarkeit, Mut) destilliert, die sich in sechs Domänen bündeln lassen. "Die sind so eine Art Essenz aus der menschlichen Entwicklung", formuliert er und betont, die Liste sei quer über Ethnien und Kulturen gültig, wenn auch gewichtet unterschiedlich.
### 2. Eigene Stärken zu erkennen, falle Betroffenen schwer, weil sie Betriebsblind seien
Franca berichtet, sie habe ihre Spontaneität jahrelang als "Sprunghaftigkeit" abgewertet; erst durch den Blickwinkelwechsel zur "Begeisterungsfähigkeit" habe sie den positiven Kern erkannt. Beide raten daher, neben der Selbstreflexion mindestens eine zweite Person um ehrliche Rückmeldung zu bitten, da "man selber mittendrin steckt" und Eigenschaften für "normal" halte.
### 3. Der Drei-Schritte-Plan: Test, Fremdperspektive, Tagebuch
Schritt eins bestehe aus dem Online-VIA-Fragebogen (verlinkt in den Shownotes), Schritt zwei aus einem Leitfaden für Freund:innen („Wann wirke ich lebendig?“) und Schritt drei aus einem Kurztagebuch, in dem man täglich notiert, wann man Flow spürt und welche Stärken daran beteiligt gewesen sein könnten. Diese Kombination erhöhe die Treffsicherheit der Top-5-Liste.
### 4. Stärken lassen sich durch gezielte „Aufpump-Übungen" verstärken
Sobald die persönlichen Top-Stärken feststehen, solle man sie bewusst in neue Kontexte tragen: z. B. als neugierige Person eine fremde Koch- oder Dokumentation ausprobieren. Dadurch entstünden „Superkräfte", die Lebenszufriedenkeit, Engagement und sogar Leistung leicht bis mittelgradig steigern könnten, so das Forschungsresümee von Christian.
### 5. Die Episode bleibt auf kommerzielle Selbstanwendung beschränkt und vermeidet wissenschaftliche Tiefe
Trotz wiederholter Betonung wissenschaftlicher Evidenz bleibt die Darstellung oberflächlich: Es fehlen Hinweise auf die umstrittene statistische Struktur des VIA-Modells, auf Kultur- oder Geschlechterbias sowie auf die Differenz zur etablierten Persönlichkeitsforschung. Kritische Gegenstimmen oder Alternativen zum Tugendansatz werden nicht erwähnt, stattdessen dominieren Aneignungstipps und Verlinkungen zu nicht validierten Arbeitsblättern der Moderatoren.
## Einordnung
Die Folge ist ein typisches Lifestyle-Podcast-Angebot: unterhaltsam, sympathisch und mit ein paar wissenschaftlichen Stichworten garniert, aber ohne journalistische Distanz oder Tiefe. Die Expert:innen machen sich die begrenzte Wirksamkeit des VIA-Ansatzes zwar kurz zunutzen, um übertriebene Erwartungen zu dämpfen, liefern aber keine belastbare Einordnung, warum gerade dieses Modell und keine anderen Konzepte zur Selbstwirksamkeit herhalten sollen. Kritische Perspektiven – etwa zur westlich-zentrierten Tugendliste oder zur Kommerzialisierung positiver Psychologie – bleiben ausgespart; stattdessen wird mit simplen Rezepten („Frag deine Freunde, führe ein Flow-Tagebuch, pumpe deine Stärken auf“) ein schneller Selbstoptimierungserfolg versprochen. Wer Hintergrundwissen oder eine ausgewogene Bewertung des VIA-Inventars sucht, wird hier nicht fündig; wer Anregungen für ein Wochenenden-Projekt sucht, kann durchaus ein paar nützliche Impulse mitnehmen.
Hörwarnung: Für Hörer:innen mit ernsten psychischen Belastungen ersetzt die Folge keine professionelle Diagnostik oder Therapie; sie bietet oberflächliche Selbsttests ohne wissenschaftliche Tiefe.