Die Dunkelkammer – Der Investigativ-Podcast: #237 Die Nonnen von Goldenstein #6: "Die Schwestern wurden komplett über den Tisch gezogen"
Investigative Episode über Machtmissbrauch innerhalb der katholischen Kirche und das Wechselspiel von kirchlichem und staatlichem Recht.
Die Dunkelkammer – Der Investigativ-Podcast
2786 min audioDer Investigativ-Podcast „Die Dunkelkammer“ widmet sich in der Folge „Armutsgelübde, Konten-Sperre und verschwundene 50.000 Euro – Kirchenrechtler Wolfgang Rothe erklärt, was die Ordensfrauen von Kloster Mülln erleben dürfen und was nicht“ dem Fall dreier Augustiner Chorfrauen in Salzburg, deren Finanz- und Eigentumsrechte laut Rechtsgutachten systematisch missachtet wurden. Moderation: Edith Meinhart. Gesprächspartner: der Kirchenrechtler Prof. Wolfgang Rothe.
### 1. Armutsgelübde bedeutet keinen automatischen Verlust des Eigentums
Die Chorfrauen legten lediglich „einfache“ Armutsgelübde ab. Sie blieben Eigentümer:innen ihrer Pensionen und Autos; Propst Markus Grasl erhielt nur die Verfügungsgewalt. „Das Eigentum verbleibt bei den Schwestern; der Ordensobere hat lediglich die Verfügungsgewalt darüber“, erklärt Rothe.
### 2. Kirchenrecht verbietet Entzug des Lebensnotwendigen
Kanonisches Recht schreibt vor, dass Oberen das Notwendige zum Lebensunterhalt sicherstellen müssen. „Wenn die Schwestern kein Geld mehr haben, obwohl sie Eigentümerinnen des Geldes sind und der Propst darüber verfügt, dann ist das ein kirchenrechtswidriger Zustand“, so Rothe.
### 3. Staatliches und kirchliches Recht gelten parallel
Nach österreichischem Zivilrecht bleiben die Frauen Eigentümer:innen; das Kirchenrecht regelt nur die interne Nutzung. Rothe: „Diese Eigentumsverhältnisse werden durch das Kirchenrecht nicht verändert.“
### 4. Staatsanwaltschaft ignoriert möglichen Untreue-Delikt
Obwohl 50.000 Euro Bargeld aus dem Kleiderschrank der Schwester Rita verschwanden und Anzeige erstattet wurde, zeigte die Staatsanwaltschaft Salzburg kein Ermittlungsinteresse. Ein Nachbarschafts-Delikt liege nicht vor, argumentiert sie – ein Vorgehen, das Rothe als „nicht nachvollziehbar“ kritisiert.
### 5. Machtgefälle wird durch Gehorsamsregel verstärkt
Die Schwestern können ihre Rechte nur unter Androhung eines Gewissenskonflikts einklagen, weil sie zugleich Gehorsam gelobt haben. Diese Struktur begünstige Machtmissbrauch, ohne effektive Kontrollinstanz innerhalb des Ordens.
## Einordnung
Die Sendung arbeitet streng rechtsjournalistisch: Edith Meinhart lässt Fakten sprechen, holt ein unabhängiges Gutachten ein und konfrontiert weder den Propst noch die Diözese mit vorgefertigten Schuldzuschreibungen. Die klare Trennung zwischen kanonischem und staatlichem Recht entlarvt eine bequeme Ausrede der Behörden, sich aus der Sache herauszuhalten. Besonders bemerkenswert: Die Diskussion um das 50.000-Euro-Verschwinden offenbart eine geschlechtsspezifische Schieflage – würde in einem weltlichen Betrieb Geld verschwinden, stünde die Staatsanwaltschaft kaum abseits. Der Podcast zeigt, wie vielschichtige Machtstrukturen in der katholischen Kirche unterschätzt werden, weil „Kirchensache“ gern mit „Privatsache“ verwechselt wird. Die Folge liefert keine einfachen Helden- oder Bösewichte, sondern die nüchterne Erkenntnis: Auch hinter Klostermauern gilt Grund- und Eigentumsrecht – wenn die Justiz es durchsetzt.
Hörempfehlung: Wer investigativen Journalismus ohne Effekthaschere mag und mehr über das kaum bekannte Spannungsfeld zwischen Staat und Kirche erfahren will, sollte reinhören.