Der Podcast "O Assunto" behandelt in dieser Folge mit dem Titel "Die Anatomie der parlamentarischen Änderungsanträge" die brasilianischen Emendas PIX – eine Form von Parlamentärmitteln, die seit 2020 stark angewachsen sind und nun rund 8 Milliarden Real (von 50 Milliarden Gesamtvolumen 2024) umfassen. Moderatorin Natuza Nery spricht mit Thiago Faria, Politik-Koordinator der Zeitung O Globo in Brasília. ### 1. Hunderte Millionen Real verschwinden Faria berichtet von mehr als 100 laufenden Ermittlungen der Bundespolizei zu Veruntreuungsverdachten. In den meisten Fällen könnten weder Bürger:innen noch Behörden nachvollziehen, wohin das Geld geflossen ist. Die Kommune Arari (ca. 30 000 Einwohner:innen) erhielt laut Faria 1,25 Millionen Real für Straßenbau, doch die Bürgermeisterin gab offiziell zu: "Ich weiß nicht, wohin das Geld verschwand." Der Weg der Mittel sei "pulverisiert" worden: Das Geld landete zunächst auf einer Kommunal-Konto und wurde dann in kleine, nicht belegte Transfers aufgelöst, etwa für Gehälter oder Stromrechnungen. ### 2. Mini-Städte erhalten Millionenbeträge ohne sichtbare Ergebnisse Die 2 000-Einwohner-Stadt Zabelê (Paraíba) bekam 3 Millionen Real für einen neuen Park. Weder Park noch Geld sind auffindbar; auf dem vorgesehenen Gelände wächst nur Busch. Die Stadt veröffentlichte zuvor ein professionelles 3D-Video des Parks, doch das Projekt blieb auf der Strecke. Weder die ehemalige Abgeordnete Edna Henrique noch der damalige Bürgermeister äußerten sich laut Faria zu den Vorwürfen. ### 3. PIX-Änderungsanträge unterlaufen Standard-Vergaberecht Klassische Bauvorhaben werden in Brasilien meist phasenweise abgerechnet und nur nach Messung bereits erbrachter Leistungen ausgezahlt. Bei den Emendas PIX fließt das Geld dagegen sofort auf ein Kommunal-Konto, bevor ein detaillierter Bauplan, eine Ausschreibung oder ein Zeitplan vorliegen. Dies mache die Mittel "ideal" für Geldwäsche, so Faria: Die Herkunft verschleiere sich, sobald Gelder mit anderen Haushaltslinien vermischt werden. ### 4. Nur eine Stadt von zehn erfüllt Kontrollstandards Eine Sonderprüfung der General-Inspektion der Union (CGU) in zehn Kommunen ergab laut Reporter nur in São Paulo ordnungsgemäße Dokumentation. In neun Städten fehlten Nachweise für insgesamt 724 Millionen Real; teils seien überhöhte Rechnungen, stillgelegte Baustellen oder unklare Firmenbeauftragungen aufgetaucht. ### 5. 96 % der Kommunen legen keine Rechenschaft ab Seit 2020 seien rund 30 Milliarden Real über PIX-Änderungsanträge geflossen. Laut Faria gebe es nur für vier Prozent aller begünstigten Kommunen eine formelle Verwendungsberichterstattung; 96 Prozent hätten nicht erklärt, wofür das Geld verwendet wurde. Diese Kontroll-Lücke eröffne Spielraum für Korruption und andere illegale Praktiken. ## Einordnung Der journalistische Anspruch des Formats ist hoch: "O Assunto" ist ein redaktionelles Produkt des Medienhauses Globo und arbeitet klassisch recherchierend. Die Moderation bleibt sachlich, die Fragen sind präzise und lassen Expertise erkennen. Faria belegt seine Aussagen mit Zahlen, Zitaten offizieller Dokumente und konkreten Belegen (Kontoauszügen, CGU-Audits, Gerichtsverfahren). Es gelingt ihm, ein komplexes Haushaltsthema anschaulich zu machen, etwa durch die Analogie zum Uber-Fahrer, der nicht mehr weiß, welches Fahrtengeld er gerade tankt. Kritisch bleibt, dass nur eine begrenzte Zahl von Parlamentariern und Kommunen direkt befragt wurde; viele Beteiligte lehnten ein Gespräch ab. Dennoch bietet die Sendung einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über ein System, das parlamentarische Klientelbeziehungen, fehlende Transparenz und mögliche Steuergeldveruntreuung bedingt. Die Folge macht deutlich, dass die brasilianischen Kontrollinstanzen dringend stärkere digitale Rückverfolgbarkeit und sanktionsbewehrte Offenlegungspflichten brauchen, wenn Millionenbeträge nicht weiterhin "spurlos" verschwinden sollen.