Future Histories: S03E43 - Steen Thorsson zu Psychoanalyse, Klimakrise und Kapitalismus
Steen Thorsson analysiert Kapitalismus als Klimakrise-Ursache und erklärt deren psychoanalytische Verdrängungsmechanismen.
Future Histories
5682 min audioDer Future Histories Podcast widmet sich der Erweiterung von Zukunftsvorstellungen und behandelt in dieser Folge Steen Thorssons neues Buch "Burn Baby Burn", das den Kapitalismus als Hauptursache der Klimakrise analysiert und die psychoanalytischen Mechanismen hinter deren Leugnung untersucht.
### Kapitalismus als systemische Ursache der Klimakrise
Thorsson argumentiere, dass die Klimakrise nicht durch individuelles Versagen oder technische Probleme entstehe, sondern strukturell im kapitalistischen System begründet sei. "Der Kapitalismus ist ein System, das auf endlosem Wachstum basiert, und das ist in einer endlichen Welt nicht möglich", erklärt er. Das Problem liege in der kapitalistischen Logik der Profitmaximierung, die zwangsläufig zur Überausbeutung natürlicher Ressourcen führe.
### Psychoanalytische Erklärung für Klimaleugnung
Die Leugnung der Klimakrise verstehe Thorsson als psychoanalytisches Phänomen der Abwehr unerträglicher Realitäten. "Menschen können die Wahrheit über die Klimakrise oft nicht ertragen und entwickeln Abwehrmechanismen", führt er aus. Diese reichten von kompletter Leugnung bis hin zu technokratischen Lösungsversprechen, die eine fundamentale Systemkritik vermeiden würden.
### Kritik an technokratischen Scheinlösungen
Geoengineering und andere technische Ansätze seien laut Thorsson problematische Ablenkungsmanöver. "Diese Lösungen versprechen, dass wir weitermachen können wie bisher, nur mit besserer Technik", kritisiert er. Solche Ansätze würden die strukturellen Ursachen ignorieren und könnten sogar gefährliche Nebenwirkungen haben.
### Alternative Gesellschaftsmodelle jenseits des Wachstumszwangs
Thorsson plädiere für eine post-kapitalistische Gesellschaft, die auf Suffizienz und demokratischer Planung basiere. "Wir brauchen eine Wirtschaft, die sich an den Bedürfnissen der Menschen und den Grenzen der Natur orientiert", argumentiert er. Konzepte wie "öffentlicher Luxus" könnten zeigen, wie kollektiver Wohlstand ohne endloses Wachstum möglich wäre.
## Einordnung
Das Gespräch folgt den Denktraditionen der Kritischen Theorie und verbindet marxistische Kapitalismuskritik mit psychoanalytischen Erkenntnissen - eine durchaus etablierte, aber im Mainstream seltene Perspektive. Thorsson argumentiert stringent und belegt seine Thesen mit Verweisen auf Andreas Malm, Herbert Marcuse und andere einschlägige Theoretiker:innen. Seine Diagnose der Klimakrise als Symptom kapitalistischer Strukturlogik ist gut begründet, auch wenn alternative Reformansätze innerhalb kapitalistischer Rahmen nur knapp abgehandelt werden.
Besonders interessant ist die psychoanalytische Dimension: Die Erklärung von Klimaleugnung als Abwehrmechanismus bietet plausible Einsichten in irrationale Reaktionen auf wissenschaftliche Evidenz. Allerdings bleibt die Analyse hier teilweise spekulativ - konkrete empirische Belege für die psychodynamischen Erklärungen werden nicht geliefert. Die Diskussion bewegt sich auf hohem theoretischen Niveau, könnte aber von praktischeren Beispielen profitieren. Methodisch problematisch ist die tendenzielle Pathologisierung andersdenkender Positionen durch den psychoanalytischen Rahmen. Dennoch bietet das Gespräch wichtige Denkanstöße für alle, die strukturelle Ursachen der Klimakrise verstehen wollen.