FALTER Radio: Wien und die Natur: Kampf um Grünraum in der Stadt - #1449

FALTER-Sommergespräch über Wiens Grünflächen, die vermeintliche 50-Prozent-Quote und den umkämpften Westbahn-Park.

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Katharina Kropshofer vom FALTER Naturressort spricht mit Landschaftsarchitektin Lilli Lička über Grünflächen in Wien. Die Stadt wirbt mit "über 50 % Grün", doch Lička zweifelt diese Zahl scharf an: sie vermute, dass Brach- und Bahnflächen, die nicht offiziell als Grün gelten, in die Rechnung einfließen, während reale Verluste durch Bebauung unter den Tisch fallen. Zentral wird das Beispiel Westbahn-Park: 1,2 km ehemaliges Bahn- und Lagerareal hinter dem Westbahnhof, das als neuer Park den 15. Bezirk – dicht, einkommensschwach, hitzebelastet – entlasten könnte. Die ÖBB als Eigentümerin plane jedoch bis zu 900 Wohnungen, obwohl Befragungen eine deutliche Mehrheit für einen unbebauten Park ergaben. Lička kritisiert "Partizipainment": Bürger:innen würden zwar gefragt, ihre Meinung fließe aber kaum in Planungen ein. Weitere Themen sind geschlechtssensible Parkgestaltung (Beispiel Bruno-Kreisky-Park), Kopenhagens Klimaquartiere und die Frage, ob Wiens Grün tatsächlich gerecht verteilt ist – pro Kopf liege Wien europäisch weit hinten. ## Einordnung Das Gespräch wirkt wie eine gut vorbereitete, aber entspannte Sommer-Diskussion. Die journalistische Leistung liegt weniger im Nachhaken als im geschickten Entfachen: Kropshofer lässt Lička reden, stellt offene Fragen und spiegelt deren Kritik ohne Polemik. Die Redaktion verzichtet auf Gegenpositionen – etwa von Stadtplanung oder ÖBB – wodurch das Format eher als Plattform für Expert:innen denn als ausgewogene Berichterstattung fungiert. Die Wortmeldungen zur historischen Kontrolle über Grünflächen (Feudalherrschaft bis Arbeiter:innen-Erholung) und zur „Ästhetik des Anthropozäns“ liefern spannende Einsichten, bleiben aber deskriptiv. Kritik an „grünen Zahlen“ und an Pseudobeteiligung bleibt sachlich; rechte oder pseudowissenschaftliche Narrative sind nicht erkennbar. Wer eine fundierte, kritische Innenansicht zu Wiens Grün- und Machtfragen sucht, bekommt hier eine klare Empfehlung – wer Ausgewogenheit braucht, sollte zusätzliche Stimmen einholen. Hörwarnung: Wer eine ausgewogene Debatte mit allen Beteiligten erwartet, wird enttäuscht; wer Expert:innen-Kritik ohne Gegenrede sucht, ist hier richtig.