Cicero Podcasts: Tim Raue im Interview mit Julia Marguier – „Die Küche ist Diktatur“

Sternekoch Tim Raue über seine brutale Kindheit, seinen Weg nach oben und warum er autoritäre Strukturen und sozialdarwinistische Werte für richtig hält.

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Tim Raue, Sternekoch und Unternehmer, spricht mit Julia Marguier im Cicero Podcast Gesellschaft über seine von Gewalt geprägte Kindheit in Berlin-Kreuzberg, seine Vorstellung von Leistung und Erfolg sowie seine Kritik an der deutschen Gesellschaftspolitik. Er schildert körperliche Misshandlungen durch seinen Vater, frühe Erfahrungen mit Hunger und Kälte und seinen Weg über Ausbildung und harte Arbeitsbedingungen in der Gastronomie. Raue plädiert für strikte Hierarchien, lehnt "Linksgrün" und „Gleichmacherei“ ab und fordert Eigenverantwortung statt staatlicher Fürsorge. Er spricht sich gegen ein Verbot der AfD aus, bezeichnet sie aber als „antidemokratisch“ und „rassistisch“. Die Episode wirkt wie ein Plädoyer für autoritäre Strukturen und sozialdarwinistische Werte, wobei persönliche Leidenserfahrungen mit politischen Feindbildern verknüpft werden. ### 1. Kindheit geprägt von extremer Gewalt und Vernachlässigung Raue berichtet, sein Vater habe ihn als Kind "körperlich aufs Übelste misshandelt", er habe "innere Blutungen gehabt" und sei "mehrfach in der Intensivstation" gewesen. Seine Mutter habe nicht gekocht, eine Stiefmutter habe ihm nur Essensreste aus einer Schublade gegeben, sodass er sich bei Freunden "eingesneakt" habe, "um alle paar Tage was Warmes zu essen zu kriegen". Diese Erfahrungen prägten ihn bis heute: "Ich wusste tatsächlich in meinem Leben, was es bedeutet zu hungern." ### 2. Erfolg sei nur durch Überleistung und harte Arbeit erreichbar Er betont, er habe "nichts gehabt außer Leistung" und sei "durch und durch Liberaler", der Eigenverantwortung über staatliche Fürsorge stelle. Die Natur zeige, "dass der Starke überlebt und der, der leistet, und der Schwache eben nicht". Dieses "Naturgesetz" dürfe man nicht "aushebeln". Kinder müssten lernen, dass es Sieg und Niederlage gebe – "Wir zählen nicht mit, dass ihr 17 zu 1 verliert. Ich meine, wer ist denn so bescheuert, dass er nicht mitzählt?" ### 3. Forderung nach autoritären Strukturen und strikter Hierarchie In der Küche herrsche "eine Diktatur", keine Demokratie. Mitarbeitende müssten "kommen, nicht nachdenken, nur machen, was man ihnen sagt". Diese Haltung rechtfertigt er mit dem Vergleich zum Fußballplatz: "Das ist wie auf dem Fußballplatz, wie auf dem Basketballplatz. [...] In der Küche ist das halt, dass du dann auch mal jemanden anschreist." ### 4. Kritik an „Linken“ und „Gleichmacherei“ mit rassistischen Untertönen Raue attackiert „Linke“, die "alles verbieten wollen" und "für die nur ihre Meinung zählt". Gleichzeitig relativiert er die Gefahr der AfD: Sie sei „antidemokratisch“ und „rassistisch", aber „demokratisch gewählt", weshalb man sie ertragen müsse. Er wirft der Linken vor, nichts geleistet zu haben: „Die Linken haben ja nichts geleistet. Die, die da stehen, die Politiker, die haben keine Betriebe geführt, die haben keine Menschen ausgebildet." ### 5. Positive Bewertung autoritärer Staaten wie Singapur Singapur lobt er als „perfekte Stadt", weil dort "die Regierung wirklich das Beste für ihre Menschen möchte" und wer nicht leiste, "verliert ganz brutal an sozialem Ansehen". Diese autoritäre Ordnung bewertet er positiv: "Ich mochte das, weil ich habe ja nichts gehabt in meinem Leben außer Leistung." ### 6. Forderung nach klarer Machtstruktur und „Chef im Ring“ Er beklagt, dass es in Deutschland keine klare Machtstruktur mehr gebe. Früher sei es noch "klar gewesen, wer der Chef im Ring ist", etwa wenn "bayerische Bullen" beim 1. Mai Demonstranten "grün und blau geschlagen" hätten. Diese klare Ordnung fehle heute. ## Einordnung Das Gespräch wirkt wie ein Plädoyer für autoritäre Strukturen und sozialdarwinistische Werte. Raue verknüpft seine schlimmen Kindheitserfahrungen mit politischen Feindbildern und rechtfertigt harte Hierarchien mit persönlichen Leidensgeschichten. Dabei fallen problematische Verallgemeinerungen: Linke werden pauschal als leistungsfeindlich diffamiert, die AfD zwar als rassistisch erkannt, aber ihre Existenz als „demokratisch“ akzeptiert. Die Moderation hinterfragt diese Positionen kaum, stellt kaum Gegenfragen und lässt unbelegte Behauptungen stehen. Besonders beunruhigend: Die positive Bewertung von Gewalt durch Polizei und die Forderung nach autoritärer Ordnung. Die Episode transportiert eine gefährliche Mischung aus persönlichem Leid und politischem Rechtspopulismus, ohne kritische Distanzierung. Hörwarnung: Wer klare politische Einordnung und kritische Nachfrage erwartet, wird enttäuscht – hier wird autoritäres Gedankengut unkommentiert verbreitet.