The Lawfare Podcast: Lawfare Daily: Conversations from Aspen, Part 1: Shashank Joshi on European Security and Iris Ferguson on the Arctic

Fundierte Analyse europäischer Sicherheitspolitik und Arktis-Strategie mit Experten vom Aspen Security Forum.

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In dieser Episode teilt Scott R. Anderson vom Lawfare Podcast Gespräche vom Aspen Security Forum mit Experten zu europäischer Sicherheit und Arktis-Strategie. Zunächst diskutiert er mit Shashank Joshi (The Economist) über Europas Weg zu weniger Abhängigkeit von den USA bei der Verteidigung. Die Stimmung in Europa habe sich seit Februar deutlich beruhigt – von Panik über Trumps Rhetorik hin zu mehr Selbstvertrauen. Das neue NATO-Ziel von 5% des BIP für Verteidigung sei ein bedeutender Schritt, wobei Deutschland bis 2030 doppelt so viel für Verteidigung ausgeben werde wie Großbritannien. ### Europas fragmentierte Rüstungsindustrie behindere schnelle Fortschritte Joshi erklärt, europäische Staaten könnten nicht schnell genug benötigte Waffen produzieren: "Sie könnten Milliarden von Dollars auf das Problem werfen. Sie werden nicht viele hocheffektive Anti-Ballistik-Raketen-Abfangraketen von einem europäischen Unternehmen kaufen können." Die Fragmentierung mit über 30 Ländern, die eigene Panzer und Luftabwehrsysteme entwickelten, erschwere die Koordination erheblich. ### Kulturwandel bei Militärdienst und Kriegsbereitschaft bleibe schwierig Die Diskussion über Wehrpflicht stoße in den meisten europäischen Ländern auf Widerstand. In Deutschland habe Verteidigungsminister Pistorius "gekämpft", während in Großbritannien schon die Andeutung einer möglichen Wehrpflicht "eine riesige öffentliche Aufregung" verursacht habe. Gleichzeitig gebe es mehr Denken über "häusliche Widerstandsfähigkeit" und die Frage "Was passiert, wenn wir von Raketen und Cyberangriffen getroffen werden wie die Ukraine?" ### Mehr europäische Unabhängigkeit könnte zu diplomatischen Spannungen mit den USA führen Joshi prognostiziert: "Wenn Sie in den 2040er Jahren wirklich ein ernsthaft fähigeres Europa haben, denke ich, ist es unvermeidlich, dass es europäischen Führern ein gewisses Vertrauen geben wird, Amerikanern und amerikanischen Präsidenten zu trotzen." Die Amerikaner hätten möglicherweise nicht vollständig durchdacht, wie eine Welt aussehe, in der "Europäer schärfer und aggressiver mit ihnen brechen könnten". ### Arktis werde zum Schauplatz verstärkter Großmachtkonkurrenz Iris Ferguson, ehemalige stellvertretende Verteidigungsstaatssekretärin für Arktis, beschreibt die Region als strategisch kritisch: "Es ist Teil unserer Heimat. Es ist der Ort, wo wir verwundbar gegenüber unseren Gegnern sind, die unser Heimatland durch Raketen bedrohen können, die über den Pol kommen." Besonders beunruhigend sei die neue russisch-chinesische Kooperation, einschließlich der "ersten gemeinsamen Bomberkampagne zwischen Russland und China vor der Küste Alaskas" nur eine Woche nach Veröffentlichung der neuen Pentagon-Arktis-Strategie. ### Klimawandel verändere die Arktis fundamental bis 2050 Ferguson erklärt, die Arktis erwärme sich "viermal schneller als der Rest der Welt", und Studien zeigten, dass sie bis 2050 "eisfrei" sein werde. Die transpolare Route über den Pol wäre "spielverändernd für globale Handelsrouten". Gleichzeitig investiere Russland trotz Ukraine-Krieg weiterhin stark in die Nordseeroute, während China die Entwicklung finanziere und die Region als "globales Gemeingut" statt nationaler Souveränität betrachte. ## Einordnung Diese Doppelfolge bietet eine fundierte Analyse zweier entscheidender geopolitischer Entwicklungen, wobei beide Gespräche durch ihre sachliche Expertise und differenzierte Betrachtung überzeugen. Joshi liefert eine nuancierte Einschätzung der europäischen Sicherheitslage, die sowohl Fortschritte als auch strukturelle Hindernisse ehrlich benennt. Seine Analyse der kulturellen Dimensionen militärischer Bereitschaft – von deutscher Zurückhaltung bis zu baltischer Direktheit ("das Ziel ist es, Russen zu töten") – zeigt die Komplexität europäischer Einigung jenseits finanzieller Zusagen. Ferguson ergänzt dies um eine strategische Arktis-Perspektive, die Umweltveränderungen, Ressourcenkonflikte und militärische Positionierung verknüpft. Beide Experten argumentieren evidenzbasiert und vermeiden sowohl Alarmismus als auch naive Beruhigung. Bemerkenswert ist die Offenheit gegenüber unbequemen Wahrheiten: Europa bleibt trotz Rhetorik stark von amerikanischen Fähigkeiten abhängig, während die Arktis unaufhaltsam zum Konfliktgebiet wird. Die implizite Grundannahme beider Gespräche – dass Großmachtkonkurrenz und militärische Aufrüstung unausweichlich sind – bleibt allerdings unreflektiert. Alternative Ansätze wie verstärkte Diplomatie oder kooperative Sicherheitsmodelle werden nicht ernsthaft diskutiert.