11KM: der tagesschau-Podcast: Atommüll-Endlager: Die Suche, die nie endet
Investigative Podcast-Episode über die verzögerte Endlagersuche für hochradioaktiven Müll – zwischen politischer Blockade, Bürgerwiderstand und leerem Fonds.
11KM: der tagesschau-Podcast
43 min read1948 min audioDer 11KM-Podcast mit Host David Krause befasst sich in dieser Folge mit der seit Jahrzehnten brisanten Endlagersuche für hochradioaktiven Atommüll in Deutschland. Gast ist Ann-Kathrin Büüsker, Expertin für Klimapolitik beim Deutschlandfunk. Das Hauptthema: Warum Deutschland bis 2074 brauchen könnte, um ein tiefen Endlager zu finden – obwohl 2031 im Gesetz steht.
### Die Endlagersuche als „Endlosschleife“
Die Expertin erklärt, dass die Suche nach einem Standort für hochradioaktiven Müll seit den 1970ern andauert. Frühe Standorte wie Gorleben oder Asse seien politisch, nicht wissenschaftlich ausgewählt worden. Seit 2017 laufe ein neu aufgesetztes, partizipatives und „lernendes“ Verfahren, das jedoch so komplex sei, dass selbst das zuständige Bundesamt einschätze, erst 2074 könne ein Endlagerstandort feststehen („Das wären dann 37 Jahre später als geplant.“).
### Verantwortungsdiffusion und fehlender Zeitdruck
Büüsker kritisiert, dass es keinen klaren Verantwortlichen gebe – weder im Bundesumweltministerium noch im Bundestag. Die Aufgaben seien auf Behörden, Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) und ein beratendes Gremium verteilt, niemand führe zentral. Die Politik schiebe Entscheidungen lieber auf künftige Legislaturperioden. Die Folge: „Es gibt stand jetzt niemanden, der wirklich ein klares Interesse daran hat, schneller zu machen.“
### Bürgerproteste und „Nicht-in-meinem-Hinterhof“-Mentalität
Ohne konkreten Standort fehle der öffentliche Druck. Sobald eine Region ins Visier gerate, erwarte man heftigen Widerstand – ähnlich wie damals in Gorleben. Die Expertin spricht von der „Nation des Not-in-my-backyard“; selbst Windräder seien kaum mehr akzeptiert. Das mache es den Politiker:innen leicht, sich vorzuenthalten: „Wenn konkrete Orte feststehen, wird es für die Abgeordneten total unangelenehm.“
### Zwischenlager als „gefährliches Dauerzustand“
Derzeit lägen 1.700 Castor-Behälter mit hochradioaktivem Müll dezentral an 16 Standorten. Die Expertin warnt, diese Zwischenlager seien für Jahrzehnte konzipiert, müssten aber möglicherweise bis 2100 oder länger genutzt werden. Je länger die Suche dauere, desto größer sei das Risiko, dass das zuvor von den Betreibern eingezahlte Geld in einem Fonds aufgebraucht wird und künftige Generationen die Kosten tragen müssten.
## Einordnung
Die Sendung arbeitet wie gewohnt journalistisch aufwendig: Interviews mit Expert:innen, historische Archivtöne, klare Struktur. Die inhaltliche Kritik richtet sich vor allem gegen das politisch-administrative System: Hier werde „Gründlichkeit“ zur Entschuldigung für Aktionismus, Verantwortung werde diffus verteilt und Entscheidungen endlos verschoben. Positiv: Es gelingt, ein hochkomplexes technisches Thema verständlich und engagiert aufzubereiten – ohne in Populismus abzugleiten. Es fehlt freilich eine stärkere Reflexion der eigenen Rolle: Wie sehr tragen Medien selbst dazu bei, dass „Atommüll in der Heimat“ zum Angst-Thema wird? Und warum werden andere Länder (Finnland, Schweiz) nur als positive Kontrastfolie eingeblendet, ohne deren soziale Konflikte oder technische Risiken tiefer zu hinterfragen? Insgesamt liefert die Episode aber eine informative und dringende Bestandsaufnahme – mit dem deutlichen Appell, endlich Tempo zu machen.