Dlf Doku: Generation U - Ukrainische Jugendliche in Deutschland
Dokumentarische Langzeitbeobachtung ukrainischer Jugendlicher zwischen Heimweh und Zukunftsangst in Deutschland.
Dlf Doku
31 min read3237 min audioDie DLF-Doku begleitet ukrainische Jugendliche, die 2022 nach Deutschland geflohen sind und sich nun zwischen zwei Welten bewegen. Inga Lysengewitsch lässt Maria (19, Berlin), Max (14, München), Marta (15, München), Nina (16, Mecklenburg-Vorpommern) und Lilia (Kharkiv/Kiew) zu Wort kommen. Die 45-minütige Reportage zeigt ihre Alltagskämpfe mit deutscher Bürokratie, Heimweh, Schuldgefühlen und der Frage, wo ihre Zukunft liegen soll – in Sicherheit oder in der Heimat trotz Krieg.
### 1. Rückkehrversuche enden oft an der Realität des Krieges
Marta habe nach anderthalb Jahren in München den Schritt gewagt und sei mit ihrer Mutter nach Kiew zurückgekehrt: "Als wir im Mai zurückgekehrt sind, begann der massive Beschuss. Kiew wurde mit Raketen angegriffen. Der erste Monat war sehr schwer." Die Illusion, das alte Leben könne wiederaufleben, zerplatze bei jedem Luftalarm.
### 2. Sprachbarrieren blockieren Bildungswege und Selbstständigkeit
Maria schildere ihre Lage: "Ich kann buchstäblich nirgendwohin... mein Deutschniveau fürs Studium noch nicht ausreichend ist. Also muss ich erstmal die Sprache auf das nötige Niveau bringen." Die Hürden hätten zur Folge, dass ehemalige Mitschüler:innen in der Ukraine bereits studieren würden, während sie noch um Anerkennung kämpfe.
### 3. Deutsche Gesellschaft bleibt für viele unerreichbar
Nina berichte von ihrer Isolation trotz Bemühungen: "Ich habe das Gefühl, dass die Deutschen mich seltsam finden. Ich kommuniziere nicht gut, jedenfalls nicht so wie sie. Es hat nicht nur mit der Sprache zu tun." Kontakte beschränkten sich meist auf andere Geflüchtete oder Migrant:innen.
### 4. Schuldgefühle prägen die Identität zwischen beiden Ländern
Lilia formuliere das Dilemma vieler: "Ich würde gerne zurückgehen, wenn es für mich wieder möglich ist, da zu leben. Aber dann werden die Menschen dort, das durchgestanden haben, durchgekämpft. Und ich komme, um davon zu profitieren. Nina, das ist eine Schande."
### 5. Kriegstraumata durchziehen den Alltag in Deutschland
Maria erzähle von ihrer Hündin Daisy aus Mariupol: "Diese Silvester war eines der traurigsten in meinem Leben. Wir haben praktisch nichts unternommen. Wir haben abwechselnd im Bad auf Daisy aufgepasst. Bis das Feuerwerk vorbei war." Die Geräusche würden bei vielen traumatische Erinnerungen auslösen.
### 6. Die Zukunft bleibe für alle ungewiss
Max blicke voraus: "Ich hoffe, dass der Krieg vor meinem 18. Geburtstag zu Ende ist. Dann müsste ich nicht an die Front." Gleichzeitig plane er, Politik zu studieren und "die Ukraine verändern, besser machen" – eine Vision, die angesichts der realen Gefahren brüchig wirke.
## Einordnung
Die Reportage meidet bewusst den klassischen Flüchtlingsdiskurs und zeigt stattdessen hochkomplexe Lebensrealitäten. Lysengewitsch gelingt es, die Perspektiven der Jugendlichen authentisch zu erfassen, ohne sie zu instrumentalisieren. Besonders bemerkenswert ist die Offenheit, mit der Scheitern und Unsicherheit gezeigt werden – etwa wenn Marta nach ihrer Rückkehr nach Kiew erkennt, dass das Leben dort ebenso schwer ist wie in Deutschland. Die journalistische Stärke liegt in der Langzeitbegleitung und der Verweigerung einfacher Antworten. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass deutsche Perspektiven fast vollständig fehlen; die Gesellschaft, in der die Jugendlichen leben, bleibt eine distanzierte Kulisse. Die dokumentarische Leistung besteht darin, die Brutalität der Zerrissenheit zwischen zwei Realitäten sichtbar zu machen – ohne die Betroffenen zu Opfern zu stilisieren.
Hörempfehlung: Eine bewegende Langzeitstudie, die die komplexen Identitätskonflikte geflüchteter Jugendlicher jenseits von Klischees zeigt – lohnenswert für alle, die über einfache Narrative hinausdenken wollen.