Die Episode "Was, wenn wir die Sprache der Natur verstehen könnten?" von Outrage + Optimism widmet sich dem Earth Species Project (ESP), das KI nutzt, um tierische Kommunikation zu entschlüsseln. Die Moderator:innen Christiana Figueres, Tom Rivett-Carnac und Paul Dickinson diskutieren mit Aza Raskin (Co-Founder), Jane Lawton (Managing Director) und Olivier Pietquin (Chief Scientist) über die ethischen, technologischen und gesellschaftlichen Implikationen. ### KI als "Galileo-Moment" für den Umgang mit der Natur Die Gäste würden argumentieren, dass KI eine fundamentale Perspektivverschiebung ermöglichen könne – vergleichbar mit der Erkenntnis, dass die Erde nicht das Zentrum des Universums sei. Raskin sagt: "Wir glauben, dass wir uns Mythen erzählen, um zu wissen, wer wir sind. Und wir müssen die Mythen ändern, die wir uns erzählen, damit wir uns ändern, wie wir handeln." ### Pflanzen würden "hören" und "sprechen" Als Beleg für die begrenzte menschliche Wahrnehmung würden Studien erwähnt, wonach Pflanzen akustische Signale verarbeiten und senden könnten. Raskin zitiert eine Studie: "Nur wenn sie das Geräusch einer sich nähernden Biene spielten, reagierte die Blume, indem sie mehr und süßeren Nektar produzierte – und das nicht langsam, sondern innerhalb von drei Sekunden." ### KI-Modell NatureLM-Audio als "Rosetta-Stein" ESP habe mit NatureLM-Audio ein KI-Modell entwickelt, das Tierstimmen analysieren und Muster erkennen könne – auch bei Arten, auf die es nicht trainiert wurde. Figueres erklärt: "Es kann bereits anfangen, Strukturen in tierischen Lautäußerungen zu erkennen, selbst wenn die Forschenden gar nicht wissen, wonach sie suchen." ### Ökozentrische Governance und „Earth Law“ Lawton würde die Notwendigkeit einer Rechtsentwicklung betonen, die über den anthropozentrischen Umweltrechtsrahmen hinausgehe: „Earth Law geht darüber hinaus, die Bedürfnisse des gesamten Systems zu berücksichtigen und darüber nachzudenken, wie wir das alles in einer positiven Weise voranbringen können." ### Rechtlicher Präzedenzfall durch indigene Klage Ein weiterer Kernpunkt sei der Fall der Orca Tokitae, bei dem die Lummi-Stammesgemeinschaft erfolgreich auf Basis von Familienrecht und „Kinship with Nature“ geklagt habe. Lawton: „Sie haben tatsächlich den Fall gewonnen – auf der Grundlage von Verwandtschaft, wodurch ein Präzedenzfall geschaffen wurde." ## Einordnung Die Episode präsentiert sich als durchdachtes, journalistisch anspruchsvolles Format, das komplexe Themen mit wissenschaftlicher Expertise und ethischer Reflexion verbindet. Die Moderator:innen geben den Expert:innen Raum, stellen kritische Nachfragen und vermeiden es, die KI-Technologie unkritisch zu feiern. Besonders bemerkenswert ist die bewusste Einbettung in indigene Perspektiven und die Anerkennung der Grenzen menschlicher Wahrnehmung. Die Diskussion um „Earth Law“ und ecocentric governance zeigt eine bemerkenswerte Offenheit für alternative Rechtsverständnisse jenseits des westlich-liberalen Rahmens. Die Sendung gelingt es, wissenschaftliche Neugier mit gesellschaftlicher Verantwortung zu verbinden – ohne dabei in Technik-Euphorie oder Alarmismus zu verfallen. Die Hörer:innen erhalten eine differenzierte Einführung in ein Feld, das technologische Innovation mit tiefgreifenden Fragen nach menschlicher Selbstverortung verknüpft.