Der Deutschlandfunk-Podcast „Der Tag“ blickt am 7. Oktober 2025 auf die zweijährige Gedenkminute für die Hamas-Attacke in Israel und die laufende EU-Debatte um Chatkontrolle. Korrespondentin Bettina Meyer berichtet vom Nova-Festival-Gelände nahe Re'im, das sich zu einem von Angehörigen organisierten Gedenkort gewandelt habe; viele Familien lehnen staatliche Gedenkveranstaltungen ab, weil sie der Regierung mangelnden Schutz vorwerfen. Der zweite Teil widmet sich dem geplanten EU-Gesetz, mit dem Messenger-Dienste künftig automatisch auf kinderpornografische Inhalte prüfen sollen. Technik-Journalist Falk Steiner erläutert, dass dabei alle Chats durch Algorithmen gescannt würden – ein Eingriff in die digitale Privatsphäre, der selbst Provider wie Signal veranlasst, ihre Dienste bei Inkrafttreten aus der EU zurückzuziehen. Die Bundesregierung hat sich bis Redaktionsschluss nicht abschließend positioniert; Justiz- und Innenministerium sind uneins, weitere Verhandlungen in Brüssel stehen an. ### 1. Keine staatliche Trauer: Angehörige organisieren Gedenken eigenständig Meyer berichtet, dass Überlebende und Familien der Opfer auf dem Nova-Festival-Gelände ein selbstorganisiertes Gedenken aufgebaut haben, weil sie staatlichen Veranstaltungen misstrauen: „Die Veranstaltung, die von der Regierung organisiert werden, werden hier abgelehnt.“ Die Familien wollen die Erinnerung persönlich gestalten und der Regierung vorwerfen, sie habe am 7. Oktober 2023 nicht ausreichend Schutz geboten; ihr gemeinsames Narrativ sei, dass der Staat die Schuld an der Eskalation trage. ### 2. Tiefes Misstrauen gegenüber Netanjahu-Regierung Die meisten Hinterbliebenen sehen laut Meyer keine Fortschritte in der juristischen Aufarbeitung; es gebe keine Verurteilungen: „Es hat meines Wissens nach keine Verurteilungen bisher gegeben.“ Viele fordern eine unabhängige Untersuchungskommission und bezweifeln, dass die Armee sich selbst objektiv prüfen könne. Die Skepsis gegenüber der politischen Führung spiegele sich auch in der Ablehnung staatlicher Gedenktermine wider. ### 3. EU-weite Chatkontrolle: Algorithmen sollen private Nachrichten scannen Falk Steiner erklärt, dass künftig alle digitalen Gespräche auf verdächtige Inhalte geprüft würden: „Ich würde sagen, das ist ein strukturelles Brechen der Vertraulichkeit von Kommunikation.“ Die geplante Verordnung sehe vor, Messenger-Dienste zur Installation von Erkennungssoftware zu verpflichten. Betroffen seien nicht nur geteilte Bilder, sondern bereits der Versand von Text oder Links. Die technische Überwachung finde ohne Wissen der Nutzer:innen statt; verdächtige Inhalte könnten automatisch an Behörden gemeldet werden. ### 4. Signal droht mit Rückzug aus Europa Der verschlüsselte Dienst Signal habe angekündigt, seine App bei Verabschiedung der Regel „vom europäischen Markt zurückzuziehen“, sagt Steiner. Auch andere US-Anbieter lehnen die Pflicht zur Hintertür in ihre Verschlüsselung ab. Die Gefahr: Menschenrechtsaktivist:innen und Journalist:innen würden künftig auf dezentral arbeitende Alternativen ausweichen müssen, wodurch sich die Sicherheit aller Nutzer:innen verschlechtere. ### 5. Bundesregierung uneins – deutsche Stimme blockiert bisher Deutschland gehörte bisher zu den Bremsern in Brüssel, weil Justizministerium (Grundrechtsbedenken) und Innenministerium (mehr Sicherheit) zerstritten seien, so Steiner. Falle der deutsche Widerstand weg, „dann wäre das anders“ – eine Mehrheit für die Verordnung wahrscheinlich. Die Entscheidung stehe unmittelvor dem EU-Innenministertreffen; noch könne sich die Bundesregierung enthalten oder zustimmen. ## Einordnung Die 30-minütige Sendung verbindet zwei brisante Themen: individuelles Leid nach dem 7. Oktober und staatliche Überwachungspläne. Das Gedenken wird journalistisch einfühlsam gestaltet, ohne die israelische Regierung zu entlasten; kritische Stimmen der Angehörigen dominieren. Die anschließende Debatte zur Chatkontrolle wirkt aufgeklärt: Steiner erklärt technische Details verständlich, formuliert Gegenargumente und benennt widersprüchliche Interessen innerhalb der Bundesregierung. Die Moderation hakt nicht ideologisch nach, sondern lässt Expertise und Offenheit für die komplexe Abwägung zwischen Kinderschutz und Privatsphäre wirken. Der Podcast verzichtet auf Reisserik und liefert eine nüchterne Bestandsaufnahme, die Hörer:innen zur eigenen Beurteilung befähigt.