Zu: #254 WELT-Chef enthüllt: Deutschlands „Moral-Diktatur“ mit Ulf Poschardt
Hoss & Hopf
70 min read75 min audioIn dieser Episode des "Hoss und Hopf"-Podcasts begrüßen Philip Hopf und Kiarash Hossainpour den Gast Ulf Poschardt, Chefredakteur der Weltgruppe. Hauptthema ist Poschardts kontroverselles Buch "Shitbürgertum", das er nach Ablehnung eines Verlags selbst veröffentlichte.
Poschardt übt scharfe Kritik am sogenannten "Shitbürgertum" - einer moralisierenden Elite, die er als realitätsfern und freiheitsfeindlich charakterisiert. "Der Shitbürger ist in seiner Psychologie ganz einfach. Der glaubt gerne", erklärt er und definiert diesen Typus als jemanden, der "moralische Überlegenheit über das, was relevant, vernünftig oder richtig für die Gesellschaft ist" stellt.
Sein Buch analysiert die kulturelle Dominanz dieser Haltung und deren gesellschaftsspaltende Wirkung. Poschardt beklagt die Einseitigkeit der Medienlandschaft: "Wir haben in verschiedenen Abstufungen in den vergangenen 20 Jahren wirklich eine unfassbare Verklasterung bekommen. Ich glaube, so einseitig wie der Journalismus in den vergangenen 15 Jahren war, habe ich es nicht in Erinnerung."
Als Beispiele für eine gefährliche "Realitätsverleugnung" nennt er die Migrationskrise, Corona-Politik und Energiewende. Zum journalistischen Selbstverständnis sagt er: "Der Journalist kritisiert die Mächtigen. Der schaut denen auf die Finger."
Poschardt positioniert sich als Außenseiter im Medienbetrieb, der bewusst gegen den Mainstream schwimmt. Er plädiert für einen "Journalismus, der bunt, im besten Sinne divers, mit vielen Meinungen" ist.
Die drei Gesprächsteilnehmer diskutieren intensiv über Themen wie gesellschaftliche Spaltung, politische Authentizität und den Zustand der deutschen Medienlandschaft. Poschardt kritisiert sowohl linke als auch konservative Politik, etwa Friedrich Merz' jüngste Positionierungen: "Ich habe Merz Verrat vorgeworfen. Ich habe CDU gewählt, fühle mich verraten."
Als Weg aus dem beschriebenen Dilemma sieht Poschardt eine Rückkehr zur Selbstverantwortung und Realitätsnähe: "Wenn du aufsteigen willst, wenn du es selber hinkriegen willst [...], dann musst du die Realität verstehen."
## Einordnung
Dieser Podcast zeigt exemplarisch die Spannungen im deutschen Mediendiskurs zwischen etabliertem Journalismus und selbsternannten Systemkritikern. Poschardt inszeniert sich als Tabubrecher in einem angeblich gleichgeschalteten Mediensystem - dabei ist er selbst als Chefredakteur der Weltgruppe Teil der Medienmacht-Elite.
Auffällig ist die Selbststilisierung als Opfer eines "Shitbürgertums", während gleichzeitig Statussymbole wie Porsche und Ferrari betont werden. Diese Verbindung von elitärer Position mit Anti-Establishment-Rhetorik ist ein typisches Muster rechtslibertärer Diskurse.
Die Gesprächsführung ist einseitig affirmativ. Kritische Nachfragen zu Poschardts Thesen fehlen vollständig. Stattdessen bekräftigen die Moderatoren seine Positionen und schaffen so einen diskursiven Echoraum.
Problematisch ist die undifferenzierte Pauschalkritik an gesellschaftlichen Entwicklungen wie Migrationspolitik oder Klimaschutz ohne Anerkennung ihrer Komplexität. Poschardts Behauptungen über eine angebliche Einheitsmeinung im Journalismus bleiben weitgehend unbelegt.
Rhetorisch arbeitet der Podcast mit starken Freund-Feind-Schemata und der Konstruktion eines moralisierenden Gegenübers ("Shitbürger"), das als schwach und realitätsfern charakterisiert wird. Dies dient der Selbstaufwertung und Legitimierung der eigenen Position.
Hörenswert ist die Sendung für jene, die verstehen wollen, wie sich rechtskonservative Medienpositionen als vermeintlich mutige Systemkritik inszenieren - kritische Hörer:innen sollten jedoch die rhetorischen Strategien und fehlende Differenzierung beachten.