Das Wissen | SWR: Kluge Baustellen – Straßen und Schienen effizienter sanieren
SWR-Wissenschaftspodcast erklärt, wie Deutschland seine Infrastruktur mit Milliarden und digitalen Zwillingen effizienter sanieren will.
Das Wissen | SWR
32 min read1719 min audioDer SWR-Podcast „Das Wissen“ widmet sich in der 28-minütigen Folge „Kluge Baustellen: Straßen und Schienen effizienter sanieren“ (Autor: Max Rauner) der Frage, wie Deutschland seine marode Infrastruktur mit Milliardenbeträgen zügiger und lärmärmer erneuern kann. Im Fokus stehen neben der Bahn-Generalsanierung (Vollsperrung statt Flickenteppich), dem digitalen Zwilling für den Fehmarnbelt-Tunnel und der Koordination unterirdischer Leitungsarbeiten in Hamburg auch die soziale Seite: Warum Baustellen Menschen verbinden, anecken oder gar zu „Umarells“ machen.
### 1. Generalsanierung statt Flicken
Die Deutsche Bahn habe die Strategie gewechselt: Statt Gleise im laufenden Betrieb zu flicken, sollen Strecken wie die Riedbahn Frankfurt–Mannheim komplett für Monate gesperrt werden. Berthold Huber (DB-Vorstand) begründe das mit dem maroden Haus-Vergleich: „Dann machen sie einmal alles neu.“ Die erste Vollsperrung sei termingerecht fertig geworden und von der Allianz pro Schiene gelobt worden.
### 2. Politik vor Ort bestimmt das Tempo
Der spätere Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) zeige sich in seiner Heimatregion Eifel zwar offen für Großprojekte, räume aber ein: „Wir werden uns das anschauen … und gegebenenfalls anpassen.“ Die Generalsanierung bleibe damit politisch verhandelbar.
### 3. Bürger:innen erleben Baustellen als Zumutung oder Faszination
Die Soziologin Christine Neubert habe beobachtet, dass manche Passant:innen bei angelegten Baugruben staunend verharren, andere sich hingegen „mit Sonnenbrille und Mütze“ durch die Stadt bewegten, um Anfeindungen zu entgehen. Baustellen eröffneten „eine andere Perspektive auf die Welt“ und könnten sogar soziale Kontakte fördern.
### 4. Koordination verhindert Stau-Chaos
Hamburgs Baustellenmanagerin Susanne Dahm koordiniere mit 20 Mitarbeitenden rund 20 000 Vorhaben pro Jahr. Weil parallele Sperrungen vermieden würden, lägen die Stau-Stunden in Hamburg laut INRIX-Statistik mit 43 h im Jahr 2023 unter dem Berliner Wert (55 h).
### 5. Digitale Zwillinge sollen Wartung revolutionieren
Beim Fehmarnbelt-Tunnel werde jedes Bauteil mit einem 30-stelligen Code versehen; Sensoren liefern Daten für vorbeugende Instandhaltung. Norwegen habe dadurch den Anteil überfälliger Großprojekte von 75 % auf ein Drittel reduziert. In Dänemark sei ein digitaler Zwilling inzwischen Pflicht für öffentlich geförderte Bauwerke.
## Einordnung
Der Podcast arbeitet mit klarem journalistischem Anspruch: wissenschaftliche Expertise, Politiker-Statements und Alltagsperspektiven werden gleichwertig nebeneinander gestellt und mit konkreten Belegen untermauert. Die Erzählweise bleibt durchgehend sachlich; es werden keine verschwörungstheoretischen oder rechten Inhalte bedient. Besonders positiv: Technische Komplexität (BIM, Verkehrsmodell VAS) wird für Laien verständlich aufbereitet, ohne zu vereinfachend zu wirken. Kritisch bleibt, dass alternative Verkehrskonzepte (Reduktion statt Ausbau, Klimaschutz als Maßstab) nur am Rande vorkommen; der Tenor ist deutlich wachstums- und ausbauorientiert. Die fehlende Gegenrede etwa zur Sinnhaftigkeit mancher Großvorhaben (Brenner-Basistunnel bis 2040) wird nicht hinterfragt. Dennoch liefert die Folge eine dichte, gut recherchierte Übersicht über den Status quo der Infrastruktursanierung in Deutschland und Europa.
Hörempfehlung: Wer verstehen will, warum Großbaustellen so lange dauern und wie digitale Planung und bessere Koordination helfen könnten, erhält hier eine informative, rundum entspannte Einführung – ohne Polemik, mit viel Sound und konkreten Beispielen.