Das kleine Fernsehballett: Die mit Anja Rützel auf der Veranda der Versuchung

Entspannte Veranda-Gespräche über Krähen-Freundschaften, Reality-TV-Probleme und eine Netflix-Serie, die Stefan zur Weißglut bringt.

Das kleine Fernsehballett
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Im Staffelfinale vor der Sommerpause treffen sich Sarah Kuttner und Stefan Niggemeier mit Anja Rützel bei Sarah auf dem Land. Das Gespräch wandelt zwischen verschiedenen Themen: Anja erzählt von ihrer Krähen-Gang in Friedrichshain, die ihr beim Gassigehen folgt, und von ihrem Tier-Telepathie-Podcast "Studio Schnabel". Sie diskutieren die problematische Entwicklung im Reality-TV, wo authentische Persönlichkeiten verschwinden und nur noch kalkulierte Störer übrig bleiben. Stefan berichtet von seinem Oasis-Konzert in Cardiff, das zwar nostalgisch aber uninspiriert war. Ausführlich besprechen sie die dänische Netflix-Serie "Das Reservat" - während Anja und Sarah die Serie okay finden, zeigt Stefan seltene Emotionen und bezeichnet sie als "sterbenslangweilig" und "furchtbar". Die Serie behandele zwar wichtige Themen wie Rassismus und das Au-pair-System, aber auf platte, vorhersehbare Weise. ### Krähen als neue beste Freunde Anja Rützel habe eine regelrechte Krähen-Armee in Friedrichshain aufgebaut, die ihr beim Gassigehen folge. Was mit vier Krähen begann (Mark, Howard, Gary und Jason), sei inzwischen zu einer "unfassbaren Population" angewachsen. Eine Krähe sei sogar schon auf ihrem Kopf gelandet, was sie als Zeichen der Zuneigung interpretierte. Laut ihrer Tier-Telepathin zupfen die Krähen an ihrem Hund Juri, weil dessen Fell ideal zum Nestbau sei, und sie beschwerten sich über das "trockene Zeug" - sie wollten lieber Fleischwurst. ### Reality-TV wird zur reinen Störshow Anja kritisiert die Entwicklung im Reality-TV scharf: "Früher war es ja mal so, jetzt will ich mich mal von meiner richtigen Seite zeigen, damit die Leute sehen, wie ich wirklich bin." Inzwischen dürfe man "gar nicht mehr freundlich oder ruhig sein, sonst wird man sofort nominiert". Leute wie "der verrückte Mike" kämen gezielt in Shows, um zu stören, und hätten vermutlich Berater, die ihnen sagten: "dich wird eh niemand lieb haben, insofern reiht das Pony doch dieses Pony". ### Stefan hasst "Das Reservat" mit seltener Vehemenz Stefan zeigt ungewöhnlich starke Emotionen bei der Bewertung der Netflix-Serie "Das Reservat": "Ich glaube, abgesehen von Knossi, in dieser ganzen Staffel nicht so sehr gehasst wie diese Sendung." Er kritisiert die Serie als "sterbenslangweilig" und bemängelt, dass "alles daran furchtbar ist". Die Charaktere seien "von vornherein Arschlöcher", der Krimi folge dem Schema "Zuerst ist der größte Sausack verdächtig, dann ist der zweitgrößte Sausack verdächtig" und die Synchronisation tue "dann irgendwie den Rest". ### Oasis-Comeback als reine Geldmaschine Anja berichtete von ihrem Oasis-Konzert in Cardiff, das enttäuschend gewesen sei. Die "aufgeregten Engländer" hätten "viel zu lange Anlauf genommen mit ihrem Excitement" und dann sei ihnen "beim Konzert selbst ein bisschen die Luft ausgegangen". Das Konzert sei "exakt wie früher" gewesen, aber die Ticketpreise durch dynamische Preissetzung von 100 auf 300 Pfund gestiegen. Sie vermutet, dass "Mama Gallagher" die Söhne zu der Reunion gedrängt habe. ## Einordnung Diese Podcastfolge zeigt das Format in seiner entspanntesten Form: Ein Gespräch unter Freunden auf der Veranda, begleitet von Regen und der Hoffnung auf Krähen. Die Diskussion springt zwischen Boulevard-Themen und gesellschaftskritischen Beobachtungen, ohne dabei akademisch zu werden. Besonders interessant ist Anjas Analyse der Reality-TV-Entwicklung, die ein reales Problem benennt: die Transformation von authentischen Persönlichkeiten zu kalkulierten Störfaktoren. Hier wird deutlich, wie kommerzieller Druck Formate verändert und letztendlich verschlechtert. Stefans ungewöhnlich emotionale Reaktion auf "Das Reservat" wirkt zunächst überraschend, offenbart aber die Ermüdung eines Vielgucker gegenüber repetitiven Erzählmustern. Seine Kritik an der vorhersehbaren Dramaturgie und den holzschnittartigen Charakteren ist berechtigt, auch wenn Sarah und Anja die Serie weniger harsch beurteilen. Die unterschiedlichen Bewertungen zeigen, wie subjektiv Geschmack ist und wie verschiedene Erwartungen zu verschiedenen Urteilen führen. Die Diskussion bleibt dabei respektvoll und zeigt, dass Meinungsverschiedenheiten das Gespräch bereichern können, ohne es zu vergiften. Ein solider Staffelabschluss eines Formats, das seine Stärken im ungezwungenen Austausch zwischen kompetenten Gesprächspartnern findet.