The Lawfare Podcast: Lawfare Daily: The European Court of Human Rights Takes on Digital Rights in War, with Asaf Lubin and Deb Housen-Couriel
Lawfare analysiert das wegweisende EGMR-Urteil zu digitalen Rechten in bewaffneten Konflikten und seine Bedeutung für künftige Kriege.
The Lawfare Podcast
58 min read2836 min audioDer Lawfare-Podcast widmet sich in dieser knapp 100-minütigen Folge dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in der Sache "Ukraine und die Niederlande gegen Russland". Moderator Scott R. Anderson spricht mit den Rechtsexpert:innen Asaf Lubin (Indiana University) und Deborah Housen-Couriel (Hebrew University of Jerusalem) über die wegweisende Bedeutung des Urteils für digitale Grundrechte in bewaffneten Konflikten.
### Das Urteil als Meilenstein für digitale Rechte in Kriegszeiten
Der EGMR habe erstmals ausdrücklich digitale Privatsphäre nach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention auf bewaffnete Konflikte angewendet. Die Richter:innen stuften die russischen "Filtrationsmaßnahmen" – systematische Datenerhebung an ukrainischen Zivilist:innen – nicht nur als eigenständige Verletzung des Rechts auf Privatsphäre ein, sondern als "gateway violations", die weitere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen ermöglicht hätten.
### Die systematische Datenerhebung als zentrales Problem
Etwa eine Million ukrainische Zivilist:innen seien in 21 Filtrationszentren verpflichtet gewesen, ihre digitalen Geräte preiszugeben. Die russischen Streitkräfte hätten dabei nicht nur Passwörter erzwungen, sondern systematisch Kontaktlisten, Fotos, Gesundheitsdaten und biometrische Informationen gesammelt. Diese Praxis sei "weit über das hinausgegangen, was militärische Notwendigkeit rechtfertigen würde".
### Neue rechtliche Standards für militärische Datenverarbeitung
Das Gericht habe klare Kriterien aufgestellt: Jede Datenerhebung brauche eine gesetzliche Grundlage, müsse verhältnismäßig sein und umfassende Schutzmaßnahmen vorsehen. Besonders bemerkenswert sei die Entscheidung, dass internationales Menschenrechtsrecht und Kriegsrecht nicht konkurrieren, sondern "harmonisch" gemeinsam auszulegen seien.
### Fehlende Perspektiven und praktische Umsetzung
Die Expert:innen kritisieren, dass das Gericht keine klaren Standards für die Dauer der Datenspeicherung oder den Umgang mit sensiblen Informationen entwickelt habe. Besonders problematisch sei, dass militärische Datenbanken oft von Datenschutzvorschriften ausgenommen seien – eine Lücke, die dringend geschlossen werden müsse.
## Einordnung
Die Diskussion zeichnet sich durch hohe fachliche Expertise und sorgfältige juristische Analyse aus. Anderson führt die Expert:innen präzise durch komplexe Rechtsfragen, ohne zu vereinfachen oder zu polemisieren. Die Expert:innen präsentieren das Urteil als potenzielles Paradigma für künftige militärische Konflikte, wobei sie offenlegen, dass viele praktische Fragen noch unbeantwortet bleiben. Besonders bemerkenswert ist die nüchterne Auseinandersetzung mit einem sensiblen Thema, ohne dabei die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen zu relativieren. Die Sendung liefert wertvolle Einblicke für alle, die sich für Völkerrecht, digitale Grundrechte und die Zukunft des Krieges interessieren.