Die Foreign-Policy-Serie „The Catch“ widmet sich in ihrer sechsten Staffel dem Pazifik-Thunfisch – und zwar konkret dem Fall der Salomon-Inseln, wo Klimawandel und industrielle Fangflotten das traditionelle Leben von Mary, Edna & Co. verändern. Reporter:in Ruxandra Guidi und Editor Rob Sachs sprechen mit Marktverkäufer:innen, Archäolog:innen und Journalist:innen wie Dorothy Wickham über den Wandel von der Haifisch-rassel-Kultur zur Exportwirtschaft, steigende Lebenshaltungskosten und wandernde Thunfischbestände. Schwerpunkt ist nicht einzelne Fakten, sondern die lebendige Atmosphäre: lange Reisebeschreibungen, historische Archiv-Töne, Pijin-Gespräche und persönliche Anekdoten ergeben ein journalistisch ambitioniertes Reise-Feature. ### 1. Klimaflucht der Thunfische Die Erwärmung der Wasser zwinge Dorffischer:innen, „andere Fanggründe ein Stück weit vom Dorf“ zu suchen, berichtet Archäologe Rubens Sengigigo. „Unsere traditionellen Plätze sind betroffen“ – ein Muster, das sich laut Autor:innen in ganz Ozeanien wiederhole und die kleinen Inselstaaten besonders hart treffe. ### 2. Vom Nebenverdienst zur Existenz Marktfrau Edna erzähle, sie habe vor über zehn Jahren angefangen, Thunfisch zu verkaufen, weil „das Geld (aus dem Job) nicht reicht. Die Lebenshaltungskosten sind sehr hoch“. Ihr Fall veranschauliche, wie auf den Inseln mittlerweile fast jede:r mehrere Einkommensquellen brauche – auch Akademiker:innen sitzen in Holzbooten. ### 3. Koloniale und Kriegs-Spuren im Fahrwasser Die Geschichte der Inseln, so die Erzählung, sei seit dem britischen Protektorat und dem Zweiten Weltkrieg untrennbar mit externen Mächten verflochten: moderne Angeltechnik, „huge fishing nets“ und Exportinfrastruktur nach 1942 hätten traditionelles Wissen „oral über Generationen“ fast vollständig ersetzt. ### 4. Frauen dominieren den Markt, Männer das Boot Beobachtung der Autor:innen: Im zentralen Markt von Honiara ständen zwar Frauen wie Mary hinter den Tischen, doch „später gegen 14 oder 15 Uhr“ lägen die Boote ihrer Söhne und Ehemänner vor Anker. Diese geschlechtsspezifische Arbeitsteilung sei ein stillschweigend akzeptierter Teil der neuen Handelskette. ### 5. Preisvolatilität macht Geschäft riskant Ein gelber Thunfisch (Yellowfin) koste umgerechnet 80 USD, bei Knappheit bis zu 200 USD. Gleichzeitig steige der Treibstoffpreis, weshalb Fangtouren schnell „a story about how much gas it took“ würden. Die Margen seien für die lokalen Verkäufer:innen überschaubar, für internationale Trawler jedoch lukrativ. ## Einordnung Die Episode arbeitet mit stark inszenierter Atmosphäre: lange Klangcollagen, historische Archivaufnahmen und persönliche Begegnungen erzeugen Nähe, verzögern aber systematische Analyse. Wissenschaftliche Expertise bleibt auf kurze Statements beschränkt, Zahlen zu Fangquoten oder Klimamodellen sucht man vergeblich. Stattdessen dominiert ein romantisiertes „Saltwater people“-Narrativ, das traditionelles Leben als bedroht, aber homogen darstellt – Ausnahme: ein kurzer Verweis auf die Vielfalt der fast 1000 Inseln. Die Machtverhältnisse zwischen Inselstaaten, EU-Fischereiabkommen und asiatischen Thunfischflotten bleiben unausgesprochen; westliche Konsument:innen kommen ebenso wenig zu Wort wie Umwelt-NGOs. So bleibt der Fokus auf eindrucksvollen Einzelschicksalen, ohne die globalen Akteure benennen zu müssen, die den Thunfischmarkt lenken. Für ein Journalisten-Format ist auffällig, dass fast alle interpretierenden Sätze von den Autor:innen selbst stammen; alternative Erklärungsmuster oder Gegenstimmen fehlen. Die Mischung aus Reisebericht und leichtem Krisen-Topos macht die Episode unterhaltsam, liefert aber keine neue Erkenntnisse für Hörer:innen, die sich bereits mit Pazifik-Fischereipolitik beschäftigt haben. Dennoch gelingt es, die menschliche Seite von Klimawandel und globaler Rohstofflogistik emotional greifbar zu machen – mit viel Sympathie für die Inselgesellschaften und einem fast melancholischen Unterton.