Machtwechsel – mit Dagmar Rosenfeld und Robin Alexander: Die Merz-Variationen – außen einend, innen spaltend

Die Analyse zeigt, wie Friedrich Merz europäische Geschlossenheit demonstriert und gleichzeitig seine Partei über Waffenlieferungen an Israel spaltet.

Machtwechsel – mit Dagmar Rosenfeld und Robin Alexander
44 min read2528 min audio
Der Podcast "Machtwechsel" mit Dagmar Rosenfeld (The Pioneer) und Robin Alexander (WELT) analysiert Friedrich Merz’ erste Wochen als Kanzler. Im Fokus stehen zwei Ereignisse: Merz’ souveräne Inszenierung europäischer Geschlossenheit vor dem Trump-Putin-Gipfel und sein Alleingang beim Stopp von Waffenlieferungen an Israel für den Gazastreifen. Letzterer löste massive Kritik in Union und CSU aus, weil weder Söder noch Spahn informiert worden seien. Alexander rekonstruiert detailliert, wie die Entscheidung im Kanzleramt zustande kam, warum Merz sie öffentlich machte, obwohl sie kaum Neues enthielt, und wie sehr sie die Identitätsfrage der Union berührt. Die Diskussion bleibt journalistisch sachlich, zeigt aber auch, wie stark emotionale Narrative die Politik prägen. ### Merz inszeniere europäische Geschlossenheit gegenüber Trump Merz habe mit einem virtuellen Gipfel und der Einladung Selenskyjs gezeigt, dass Deutschland die Ukraine nicht allein lasse. Ein Sprecher aus dem Umfeld des Kanzleramts wird zitiert: "Das ist sozusagen, wenn man sagt, in einer auseinanderlaufenden westlichen Welt versucht man den Laden als Deutschland zusammenzuhalten, dann macht man es genauso." ### Entscheidung zu Israel sei ohne Kabinettsbeschluss gefallen Die Waffenexport-Sperrung sei nicht in der Kabinettssitzung beschlossen worden. Alexander: "Es war nicht so, dass an diesem Mittwoch [...] gesagt wurde, wir brauchen eine Entscheidung in Sachen Waffenlieferung." Die Mitteilung sei Freitagmorgen nach einer Morgenlage im Ferienhaus vom Tegernsee aus verfasst worden. ### Merz habe bestehende Praxis nur öffentlich gemacht Die Sperrung von Waffen für Gaza sei bereits unter der Ampel gegolten. Merz habe lediglich eine "bestehende Politik in die Öffentlichkeit gehoben", was die Union als Bruch mit Jahrzehnten deutscher Außenpolitik interpretierte. Alexander: "Es gibt gar keine dramatische Änderung der realen Politik." ### Israel-Frage berühre die Identität der Union Die CDU/CSU sehe Israel nicht nur als Staat, sondern als Teil ihrer Selbstdefinition. Alexander beschreibt, wie Merz nach dem 7. Oktober 2023 auf dem Deutschlandtag der JU sprach: „Es kann doch wohl nicht sein, dass 70, 80 Jahre nach der Shoah in Deutschland wieder Juden fürchten müssen.“ ### CSU distanziere sich demonstrativ vom Kanzler Söders Vertreter Holetschek nannte die Entscheidung "falsch", Spahn erklärte sie lediglich für „vertretbar“. Alexander: „Die CSU geht in einer kernaußenpolitischen Frage auf Distanz.“ ### Merz habe emotionale Dynamik unterschätzt Die "Merz-Revolution"-Chatgruppe habe sich "fertig" gefühlt. Alexander: „Man kann sich fragen, wusste Merz gar nicht, welchen emotionalen Hallraum er da bei den eigenen Leuten hat?" ## Einordnung Die Folge zeigt ein professionelles journalistisches Format, das trotz prominenter Sprecher:innen nüchtern analysiert. Alexander rekonstruiert die Vorgänge detailliert, differenziert zwischen öffentlichem Auftritt und inhaltlicher Substanz und vermeidet parteipolitische Wertung. Besonders bemerkenswert ist, wie sehr er die emotionale Dimension der Israel-Debatte in der Union herausarbeitet – ohne dabei selbst Partei zu ergreifen. Die Diskussionskultur bleibt sachlich, auch wenn die Kritik an Merz’ Kommunikationsstil deutlich wird. Es gibt keine Hinweise auf rechtsextreme oder verschwörungstheoretische Inhalte. Die Einordnung gelingt als nüchterne Bestandsaufnahme eines Regierungsanfangs, der zwischen Anspruch und Realität pendelt. Hörempfehlung: Wer verstehen will, wie Friedrich Merz zwischen internationaler Bühne und parteipolitischer Realität navigiert, erhält hier eine kluge, gut recherchierte Analyse ohne Polemik.