Der SWR-Podcast „Das Wissen“ widmet sich in Teil 1 der zweiteiligen Reihe „Rassismus im Gesundheitswesen“ der Diskriminierung ausländischer Pflegekräfte und Ärzt:innen in deutschen Kliniken. Ann Esswein führt durch Interviews mit Expert:innen, Betroffenen und Rekrutierungsverantwortlichen. Kernaussagen: Fast zwei Drittel der internationalen Pflegekräfte erleben laut Studien Rassismus, besonders im Kollegium; Sprachbarrieren werden zur Bewertung fachlicher Inkompetenz missbraucht; strukturelle Probleme wie Rückzahlungsklauseln, fehlende Vorbereitung und mangelnde Führungskräfte mit Migrationshintergrund festigen Abhängigkeiten; Betroffene berichten von herablassender Behandlung, Ausschluss und Angst, sich zu wehren. Die Redaktion arbeitet aufwändig recherchiert, lässt unterschiedliche Perspektiven zu Wort kommen und verankert das Thema in aktuellen Zahlen zur Personalknappheit. Stilistisch bleibt der Ton sachlich, ohne sensationsheischende Effekte; methodisch überzeugt der Podcast durch Triangulation von Statistiken, Expert:inneninterviews und persönlichen Erfahrungsberichten. ### Fast zwei Drittel der internationalen Pflegekräfte berichten von Rassismus am Arbeitsplatz Laut einer Umfrage von Grace Lugard-Hosea unter 2024 philippinischen Pflegekräften gaben knapp 65 % an, Diskriminierung erlebt zu haben. „Das sind ja fast zwei Drittel, die gesagt haben, ja, ich habe Diskriminierung und Rassismus am Arbeitsplatz erfahren“, resümiert die interkulturelle Trainerin. Die Ergebnisse zeigen ein systemisches Problem, das nicht auf Einzelfälle reduziert werden kann. ### Sprachbarrieren werden zur Bewertung fachlicher Inkompetenz missbraucht Oft werde „jemand, der nicht perfekt Deutsch spricht … weniger Kompetenzen zugeschrieben, als jemand, der eben perfekt Deutsch spricht“, kritisiert Grace Lugard-Hosea. Diese Gleichsetzung von Sprachniveau und Professionalität führe dazu, dass qualifizierte Fachkräfte entweder nicht ernst genommen oder von Aufgaben ausgeschlossen würden, obwohl sie über langjährige Berufserfahrung verfügen. ### Krankenhäuser nutzen rechtswidrige Rückzahlungsklauseln, um Fachkräfte zu binden Arbeitsrechtlerin Monika Fiaczik zeigt Verträge, die internationalen Pflegekräfte erst nach der Anerkennung vorgelegt werden und sie für mehrere Jahre an die Klinik fesseln. Die Kosten für Sprachkurse und Vorbereitung müssten bei vorzeitiger Kündigung zurückgezahlt werden – eine Klausel, „die eigentlich rechtswidrig ist“. Viele Betroffene unterschrieben aus Unkenntnis und Angst, keine andere Anstellung mehr zu bekommen. ### Fehlende Führungskräfte mit Migrationshintergrund verstärken strukturelle Diskriminierung Radiologin Elif Chan fordert mehr internationale Mitarbeitende in Leitungspositionen, da „wenn man selber privilegiert ist … kann diese Person niemals nachfühlen, was ich erlebe“. Ihre Studie zeigt, dass Diskriminierung meist auf gleicher Hierarchieebene stattfindet und Betroffene kaum Unterstützung durch Vorgesetzte erfahren. ### Kollegiale Solidarität bleibt oft aus, Betroffene fürchten Repressalien Pflegefachmann Kone Yakouba erzählt, dass er rassistische Patientenäußerungen („von einer Negerhilfskraft will ich nicht behandelt werden“) nicht meldet, „weil ich finde nur … das sind die Situationen, die Person versucht irgendwie dich zu attackieren“. Ausbilder Thomas Müsel bestätigt, dass internationale Pflegekräfte „aus Sorge, dass dann das irgendwie sanktioniert wird“, Vorfälle nicht auf Station thematisieren. ## Einordnung Der Podcast präsentiert sich als professionelles, journalistisches Format mit klarer Struktur: Expert:inneninterviews, Studiendaten und persönliche Schicksale werden ineinander verwoben, ohne auf Effekthascherei zu setzen. Die Redaktion gelingt es, komplexe Zusammenhänge – struktureller Rassismus, intersektionale Diskriminierung, wirtschaftliche Abhängigkeit – verständlich aufzubrechen. Besonders stark: Die Perspektive der Betroffenen bleibt sichtbar, ohne sie zur puren Opferrolle zu verklären. Schwächen zeigen sich dort, wo auf systemische Lösungsansätze nur kurz verwiesen wird; über gesetzliche Regulierungsmöglichkeiten oder erfolgreiche Gegenkonzepte bleibt der Hörer:in wenig mit. Die Folge verzichtet bewusst auf „beide-Seiten“-Bilanzen, was angesichtig der Machtungleichgewichte angemessen ist. Insgesamt liefert „Das Wissen“ eine fundierte, sachliche Analyse, die ohne erhobenen Zeigefinger aufklärt und zum Weiterhören animiert.