Der 53-minütige Podcast "Narratives of Sino-Middle Eastern Futures" (ChinaPower Podcast, 12/2025) diskutiert mit den Autor:innen Dr. Mohammed Alsudairi und Dr. Andrea Ghiselli ihre neue Studie, die die gängige US-zentrierte Rivalitäts-Perspektive auf Chinas Engagement im Nahen Osten hinterfragt. Die Gesprächspartner:innen betonen, dass regionale Akteur:innen China nicht als Ersatz für die USA, sondern als ergänzende Option in einer multipolaren Ordnung sehen. Saudi-Arabien nutze die „China-Karte“ taktisch, um Washington zu Konzessionen zu bewegen, während Syrien unter Assad die Partnerschaft mit Peking zur Legitimation übertrieben dargestellt habe. Für die Zukunft erwarten die Wissenschaftler:innen eine „vorsichtige Kontinuität“: Weder China noch Mittelost-Staaten hätten ein starkes Interesse an tieferer militärischer Einbindung Pekings. Die EU und die USA würden China oft pauschal als Rivale darstellen, statt ihre eigenen widersprüchlichen Strategien im Nahen Osten zu klären. ### 1) Regionale Eliten sehen China nicht als neuen Hegemon Die meisten Staaten im Nahen Osten betrachteten Peking laut Alsudairi als wirtschaftlich nützlich, militärisch aber nicht in der Lage, die USA zu ersetzen. Selbst Anti-US-Akteur:innen wie das Assad-Regime hätten Chinas Rolle übertrieben, um innenpolitisch Legitimität zu erzeugen. > „Es gäbe eine ganze Industrie von Kommentatoren, die annähmen, China werde zwangsläufig die USA verdrängen – diese Annahme durchzieht Akademia, Politik und Medien.“ ### 2) Saudi-Arabien führt einen taktischen „China-Druck“ aus Riad drohe Washington offen mit Alternativen, etwa beim Erwerb von Nvidia-Chips oder F-35-Kampfjets. Gleichzeitig sei das Königreich realistisch: Ein formelles Bündnis mit China lehnten beide Seiten ab, stattdessen strebe man Importdiversifizierung und Technologietransfer an. > „Der Kronprinz ließ in Interviews durchblicken: Wenn die USA bestimmte Zugeständnisse verweigern, gäbe es die China-Option.“ ### 3) Iran-Konflikt zeigt Chinas begrenzte Risikobereitschaft Nach dem israelisch-iranischen Kurzkrieg 2024 habe Peking sich zurückgehalten; iranische Analyst:innen führten dies laut Ghiselli auf mangelnde „griffige Interessen“ zurück. Die GCC-Staaten begrüßten Chinas Zurückhaltung, da sie eine weitere Eskalation vermeiden wollten. > „Chinesische Experten betrachten die USA weiterhin als unangefochtene Militärmacht im Nahen Osten.“ ### 4) Post-Assad-Syrien strebt neue Balance an Die syrische Führung signalisiere Peking gegenüber Pragmatismus und lasse historische Ressentiments ruhen. Offen blieb, ob China Uiguren-fraktionen in der neuen syrischen Armee zur Ausreise zwingen will. > „Die syrische Botschaft schrieb auf WeChat: ‚Wir wollen mit China für Wohlstand und Frieden kooperieren und gegen Terrorismus vorgehen‘ – ohne Vorwurf wegen früherer Unterstützung Assads.“ ### 5) Zukunftsszenario „cautious continuity“ wahrscheinlich Beide Seiten – China und mittelöstliche Regierungen – hätten ein gemeinsames Interesse daran, keine neue Militärabhängigkeit aufzubauen. Weder strebe Peking eine Pax Sinica an, noch wünschen sich die Staaten einen vollständigen Wechsel der Schutzmächte. > „Die bevorzugte Option vieler Regionalakteure sei eine multipolare Ordnung, die ihnen maximale strategische Autonomie verschafft.“ ## Einordnung Die Sendung ist ein professionelles, forschungsbasiertes Format: Moderatorin Bonnie Lin stellt klare Fragen, fordert die Expert:innen zur Argumentation auf und lässt differenzierende Positionen zu. Die Autor:innen belegen ihre Thesen mit Zitaten aus Regierungsmedien, Interviews und eigenen Umfragen; Spekulationen markieren sie explizit („creative thinking“). Auffällig ist, dass westliche Sicherheitsinteressen durchgehend Ausgangspunkt der Diskussion bleiben; die Perspektive chinesischer oder arabischer Zivilgesellschaften fehlt. Die Annahme, China werde zwangsläufig die USA ablösen, wird zwar kritisch hinterfragt, doch das zugrunde liegende Machtrivalen-Frame wird nicht aufgebrochen. Die Empfehlung „räumt zuerst im eigenen Haus“ ist scharf, bleibt aber inhaltlich offen, was konkrete EU/US-Politikänderungen bedeuten würden. Für Hörer:innen, die über die Standard-Geopolitik-Narrative hinausdenken wollen, bietet die Episode neue Einblicke; wer einen breiten gesellschaftlichen Diskurs erwartet, wird aufgrund der Elitenfixierung enttäuscht sein. Teasertext: „China im Nahen Osten – neuer Hegemon oder bequemer Multi-Option-Partner? Zwei Experten durchbrechen gängige USA-gegen-China-Klischees und zeigen, warum Saudi-Arabien und Post-Assad-Syrien Peking eher als Verhandlungsmasse denn als Sicherheitsgarant nutzen.“ Short Description: "Entlarvt die These, China werde die USA im Nahen Osten ablösen, und zeigt regionale Strategien der multiplen Optionen."