Der Podcast "Wir müssen reden. Public Eye spricht Klartext" ist ein journalistisch ambitioniertes Format des Schweizer Menschenrechts-NGO Public Eye. In der dritten von drei Spezialfolgen zur Konzernverantwortungsinitiative beleuchtet Moderator Nico Meier gemeinsam mit Co-Moderatorin Anina Dalbert (Public Eye) die Chancen der Initiative an der Urne. Die Diskussion spannt sich von der Notwendigkeit einer breiten politischen Mitte über die Rolle der Kirchen, die Strategie der Gegner:innen bis hin zur internationalen Dimension - insbesondere dem EU-Lieferkettengesetz. Meier interviewt dafür zahlreiche Expert:innen und Betroffene, darunter die Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone, den ehemaligen CSP-Nationalrat Karl Vogler, den Politologen Claude Longchamp sowie Vertreter:innen aus Brasilien, Nigeria und dem Kongo. Die Episode zeigt deutlich: Die Initiative ist politisch hochumstritten, wobei die Gegner:innen 2020 durch eine gezielte Ständemehr-Strategie siegten. Die neue Initiative will dies verhindern, indem sie KMU ausnimmt, Klimaziele integriert und sich an EU-Standards anlehnt. ### 1. Die Initiative 2.0 unterscheidet sich deutlich von 2020 Die neue Konzernverantwortungsinitiative habe wichtige Anpassungen erfahren. Lisa Mazzone erklärt: "Eine sehr wichtige Verbesserung für mich sind die Klimaziele, die eingeführt wurden. Die Großunternehmen haben diesbezüglich auch eine Verantwortung." Zudem würden KMU nicht mehr betroffen sein und die Beweislast etwas offener formuliert. ### 2. Die politische Mitte ist der zentrale Schlüssel zum Erfolg Sowohl Mazzone als auch Vogler betonen, dass ohne die Mitte keine Mehrheit möglich sei. Vogler erklärt: "Die Mitte oder große Teil von der Mitte, aber natürlich auch ein Teil von der FDP... die Initiative ist wiederum sehr breit politisch abgestützt." Allerdings fehle diesmal die Unterstützung der reformierten Kirche, die 2020 wegen zu starker politischer Positionierung Kritik erhalten habe. ### 3. Die Gegner:innen setzen gezielt auf Ständemehr-Strategie Claude Longchamp analysiert, dass die Nein-Kampagne 2020 "sehr konsequent auf das [Ständemehr] gesetzt" habe. Diese "Battleground States"-Strategie habe sich als erfolgreicher erwiesen als die Volksmehr-Kampagne der Befürworter:innen. ### 4. Das EU-Lieferkettengesetz wird als Vorbild und Argument verwendet Während die Befürworter:innen auf europäische Harmonisierung setzen, warnen Gegner:innen vor Alleingängen. Longchamp sieht hier einen Vorteil für die Nein-Seite: "Die europäische Dimension ist auf der Pro-Seite ein Schwachsargument, auf der Kontra-Seite durchaus ein mobilisierbares Argument." ### 5. Betroffene aus dem globalen Süden fordern dringend Regulierung David Ugo aus Nigeria erklärt: "As victim of these dirty businesses, our people suffer from air pollution, airway diseases and environmental destruction." Jean-Claude Umbotu aus dem Kongo betont: "Il y a un prinzip universel qui dit que celui qui commet une faute doit en répondre." ### 6. Selbst Unternehmer:innen sehen Vorteile in klaren Regeln Adrian Wiedmer von Gebana findet: "Es ist eine Haftung nach Schweizer Gesetz, wo nicht mega krass ist... das finde ich eigentlich wie eine Chance bis vernünftiges Gesetz zu machen." Auch SVP-Politiker Heinz Tännler erklärt, dass Verantwortung "getragen werden" müsse, wobei er die Initiative ablehnt. ## Einordnung Der Podcast zeigt journalistische Professionalität durch vielfältige Perspektiven und sorgfältige Recherche. Meier gelingt es, komplexe politische Zusammenhänge verständlich zu vermitteln, ohne sich selbst zu positionieren - obwohl der Kontext als NGO-Produktion klar parteiisch ist. Besonders stark ist die Einbindung von Betroffenen aus dem globalen Süden, die den realen Leidensdruck verdeutlichen. Kritisch anzumerken ist, dass Wirtschaftsvertreter:innen in dieser Episode nur am Rande zu Wort kommen - etwa durch den eher zögerlichen SVP-Vertreter Tännler. Die wirtschaftsnahen Argumente werden primär durch die Befürworter:innen referiert, was zu einer gewissen Einseitigkeit führt. Die journalistische Leistung besteht darin, die komplexe Thematik auf persönliche Geschichten herunterzubrechen und so emotionale Zugänge zu schaffen. Die Struktur mit wiederkehrenden Gesprächen mit Dalbert als Expertin funktioniert gut, wirkt aber an manchen Stellen etwas konstruiert. Insgesamt ein informativer Einblick in eine zentrale schweizerische Politikdebatte mit internationaler Dimension. Hörempfehlung: Unbedingt anhören, wer sich für Schweizer Politik, Menschenrechte und die Macht von Unternehmen interessiert - auch wenn die wirtschaftskritische Perspektive dominiert.