Instant History: Bernhard Nocht und die koloniale Amnesie
Eine kritische Analyse der kolonialen Vergangenheit des Tropenmediziners Bernhard Nocht und ein Plädoyer für die Umbenennung des nach ihm benannten Hamburger Instituts.
Instant History
16 min readDer Newsletter argumentiert für die Umbenennung des Bernhard-Nocht-Instituts in Hamburg, indem er die Karriere seines Namensgebers in den Kontext von deutschem Kolonialismus, Rassismus und Militarismus stellt. Der Autor schildert Bernhard Nocht als aktiven Profiteur des imperialen Systems, der rassistische Segregation befürwortete, zeitlebens für die Rückgewinnung der Kolonien eintrat und dessen Ehrung durch die Namensgebung 1942 durch das NS-Regime erfolgte. Der Text stellt die zentrale Frage, ob ein "kolonialer Karrierist und Monarchist" heute noch als Vorbild dienen kann.
## Einordnung
Der Text vertritt eine klar postkoloniale Perspektive und zielt darauf ab, die etablierte Erinnerungskultur kritisch zu hinterfragen. Die Argumentation ist als Anklageschrift aufgebaut, die Nochts wissenschaftliche Verdienste bewusst in den Hintergrund rückt, um seine Verstrickung in ein rassistisches und ausbeuterisches System in den Vordergrund zu stellen. Stimmen, die eine Trennung von Werk und Person fordern oder Nochts medizinische Leistungen betonen könnten, werden nicht berücksichtigt; der Fokus liegt ausschließlich auf seiner ideologischen und politischen Rolle. Die implizite Annahme ist, dass eine Ehrung durch Namensgebung im öffentlichen Raum nur Personen zusteht, die heutigen moralischen und demokratischen Werten entsprechen.
Das Framing stellt Nocht nicht als individuellen Täter dar, sondern als systemischen Akteur, dessen Karriere untrennbar mit den Verbrechen des Kolonialismus verbunden ist. Damit wird die Agenda einer Dekolonisierung des öffentlichen Raums und der Wissenschaftsgeschichte gefördert. Argumentative Schwächen liegen weniger in den Fakten, die auf einer wissenschaftlichen Biografie beruhen, als in der absichtlichen Einseitigkeit. Die Weigerung des Instituts und der Stadt Hamburg, eine Umbenennung vorzunehmen, wird als Festhalten an rassistischen und kolonialen Traditionen gedeutet.
Der Newsletter ist für Leser:innen lesenswert, die sich für die deutsche Kolonialgeschichte, Erinnerungspolitik und die kritische Aufarbeitung von Wissenschaftsgeschichte interessieren. Er bietet eine pointierte und gut begründete Argumentation für eine aktuelle gesellschaftspolitische Debatte.
Länge des Newsletters: 15935