Der Podcast "Männer weinen heimlich" ist ein Gesprächsformat, in dem Sebastian Tigges mit prominenten Männern über Männlichkeitsbilder, psychische Gesundheit und emotionale Verletzlichkeit spricht. In dieser Folge begrüßt er den Musiker und Poeten Max Richard Leßmann, der zuletzt den Roman "Sylter Welle" und den Gedichtband "Liebe in Zeiten der Follower" veröffentlicht hat. Das zentrale Thema der Episode ist, wie Sprache – ob in Gesprächen, Texten oder Liedern – helfen kann, Gefühle zu sortieren und psychische Krisen zu bewältigen. ### 1 Sprache als Werkzeug zur Selbsterkenntnis Leßmann beschreibt, dass er seine Emotionen erst durch Sprechen und Schreiben wirklich erfassen könne: "Ich bin jetzt kein Typ, der so leicht an seine Gefühle kommt … ich muss die immer erst mal ordnen und dann weiß ich, wie ich mich fühle." Dieser Prozess kann Jahre dauern; seinen Debütroman begann er demnach, um Erfahrungen auszuwerten, die zehn Jahre zurückliegen. ### 2 Verletzlichkeit statt Panzer Entgegen der Vorstellung, viele Worte würden abgrenzen, sieht Leßmann in ihnen ein Mittel zur Offenbarung: "Wenn man reden kann … dann ist es ja eher so, dass man die dann auch preisgibt … das ist für mich eher so eine Form von Verletzlichkeit." Diese Einsicht habe sich während seiner Psychotherapie vor zwei Jahren gefestigt. ### 3 Depression als Gefühl der Leere Die eigene depressive Episode habe sich für Leßmann "überhaupt nicht so" angefühlt, wie er sie sich vorgestellt hatte – nicht als tiefe Trauer, sondern als "Zustand von Leere", in dem "alles grau" sei. Tigges bestätigt diese Schilderung aus eigener Erfahrung und unterstreicht so das gemeinsame Moment der Überraschung über die tatsächlichen Symptome. ### 4 Therapie als Wendepunkt Der Auslöser für die erneute Therapie sei das Gefühl gewesen, "ich komme nicht mehr klar", gepaart mit der Erkenntnis, professionelle Hilfe zu benötigen. Der Schritt markierte für Leßmann den Übergang von der Vermeidung zur bewussten Auseinandersetzung mit Gefühlen. ## Einordnung Die Sendung wirkt wie ein offenes, fast therapeutisches Gespräch zwischen zwei Männern, die ihre Psyche als komplexes Konstruktionsspiel durch Sprache verstehen lernen. Dabei bleibt die Moderation stets empathisch und teilt aus eigener Betroffenheit mit, sodass keine hierarchische Beraterrolle entsteht. Die Inhalte sind weitgehend frei von Esoterik oder pseudowissenschaftlichen Deutungen; stattdessen stehen persönliche Erfahrungsberichte im Zentrum. Kritisch anzumerken ist, dass weder unterschiedliche Lebensrealitäten noch soziale Faktoren, die psychische Gesundheit beeinflussen, eingehend beleuchtet werden – der Fokus bleibt auf individueller Verarbeitung. Dennoch gelingt es dem Format, ein Gegenbild zur klassischen Männlichkeitsrhetorik zu entwerfen, in der Heilung vor allem Schweigen und Durchhalteparolen bedeutet. Die Folge bietet Zuhörenden, die sich mit ähnlichen Leerstimmen konfrontiert sehen, eine sprachliche Resonanz und macht Hoffnung auf Veränderung durch das Benennen eben jener Gefühle, die lange "verboten schienen".