Kontext und Sprecher: Die isländische Kultursendung Víðsjá vom 25. August 2025 wird von Halla Harðardóttir und Melkorka Ólafsdóttir moderiert. Hauptthema ist die Wiederentdeckung eines 1864 entstandenen Tanznoten-Manuskripts des isländischen Fiddlers Jónas Helgason, ergänzt durch eine Theaterkritik und ein Gespräch mit der Dichterin Vala Hauks über ihre Debüt-Lyriksammlung "Félagsland". ### 1. Tanznoten-Manuskript aus dem Jahr 1864 entdeckt Atli Freyr Hjaltason berichtet, dass das bislang unveröffentlichte Manuskript LBS 1812 Quartó 50 Tanzstücke für Violine enthalte. Es sei "merkilegt", da bisher angenommen wurde, es gebe keine weltliche Musik aus dieser Zeit außer Kirchenmusik und mündlich überlieferten Balladen. ### 2. Isländische Tanzkultur war europäischer als gedacht Die Stücke seien keine rein isländischen Melodien, sondern Variationen von Tänzen, die damals in ganz Skandinavien populär gewesen seien. Das widerspreche der Vorstellung, Isländer hätten isoliert in Baßstuben gesessen, stattdessen habe man "svakallegu stuði" gefeiert. ### 3. Publikation als interaktives Projekt geplant Die Herausgabe sei nicht nur als Notenbuch konzipiert, sondern umfasse eine umfangreiche Begleitbroschüre, Tanzworkshops und Live-Events. Norwegens Preis-Fiddler Vegar Wardal habe die Stücke eingespielt, um eine lebendige Interpretation zu ermöglichen. ### 4. Theaterkritik: "40.000 fet" als oberflächliches Klischee Trausti Ólafsson kritisiert das neue Stück "40.000 fet" im Tjarnarbíó scharf: Die Kritik bezeichnete die Inszenierung als "skringilegt merkingarleysi" voller "endurteknar klisjur" und warf ihr vor, Stereotype über Flugbegleiter*innen zu bedienen. ### 5. Félagsland: Lyrik über Gemeinschaftshäuser als Identitätsort Vala Hauks erklärt, ihre Gedichte würden die Gemeinschaftshäuser (Félagsheimili) als "rauði þráður" nutzen, um über Zugehörigkeit, Stadt-Land-Kontraste und die Isländische Identität zu reflektieren. Die Häuser seien "ekkert einstök", aber überall dieselbe Wärme. ### 6. Form und Ton: Zwischen Humor und Ernst Die Dichterin beschreibt ihre Arbeitsweise als spielerisch und authentisch: "ég er bara svona heyrspurslaust und ég er ekkert að reyna að vera einhver annar en ég er" – eine Haltung, die sich sowohl in der Lyrik als auch im Gespräch durch Humor und Selbstironie zeige. ## Einordnung Die Sendung präsentiert sich als liebevoll produziertes, aber journalistisch anspruchsloses Kulturmagazin. Die Moderatorinnen übernehmen kaum kritische Rolle, weder bei der Tanz- noch bei der Theaterdiskussion. Besonders auffällig: Die Theaterkritik wirkt wie ein persönlicher Rant, ohne das Stück wirklich zu kontextualisieren – ein Unterhaltungsmoment, das journalistische Tiefe vermissen lässt. Gleichzeitig gelingt es der Sendung, isländische Kulturgeschichte lebendig zu machen, ohne dabei in romantische Mythen zu verfallen. Die Perspektive bleibt durchweg urban-reykjavikisch, ländliche Lebensrealitäten werden eher stilisiert denn analysiert. Insgesamt ein unterhaltsamer, aber oberflächlicher Blick auf isländische Gegenwartskultur. Hörempfehlung: Wer isländische Kulturgeschichte in Anekdotenform mag und keine harten Interviews erwartet, wird unterhalten. Für analytische Tiefe oder kontroverse Diskussionen ist wenig Raum.