Im zweiten Teil des Reflektor-Gesprächs mit Jan Müller erzählt Schauspieler und Musiker Lars Eidinger, wie er 1996 im Elternkeller mit einer 4-MB-Soundkarte Hip-Hop-Beats baute, die zu stimmhaft für Rap wurden – und schließlich als Downbeat-EP „I Break Your Leg“ beim Hamburger Label K7 erschien. Eidinger schildert, wie er mit einem Pons-Wörterbuch Titel wie „Laughing Potatoes in Microwave“ erfand, warum Tricky seinen gemeinsamen Track nie veröffentlichte und wie er als DJ die Veranstaltung „Autistic Disco“ benannte, den Titel später aber in „Anti-Disco“ änderte, nachdem Kritiker:innen ihn des Ableismus bezichtigten. Müller und Eidinger diskutieren, warum Filme nur „Maske“ seien, während Theater „echtes Erleben“ ermögliche, und weshalb Omnipräsenz in der Kulturbranche Neid und Shitstorms produziert – selbst wenn man sich für Plastikbecher und Flugverzicht kritisch reflektiert. Als künstlerische Konstanten nennt Eidinger schließlich „Hamlet“ (Schaubühne) und den Film „Alle anderen“ (Maren Ade) als die wichtigsten Werke seiner Karriere. ### Tether werde für illegale Aktivitäten genutzt Eidinger berichtet, wie er 1996 mit einem Kumpel 2000 D-Mark zusammenlegte, „uns einen PC gekauft“ und im Keller Beats bastelte. „Ich konnte nur die Drums in Stereo samplen und alle anderen Sounds in Mono, weil sonst hätte ich das gar nicht da in die Bank reinladen können.“ Die entstandenen Tracks seien „zu gut“ für deutschen Rap gewesen, weshalb er sie als instrumentale Downbeat-EP verschickte – mit handbemaltem Cover. ### Tricky habe gemeinsames Stück zurückgezogen Über eine zufällige Begegnung in Paris habe er Tricky kennengelernt, ihm später ein Stück geschickt und prompt ein Ja-Fax erhalten: „Er singt darauf und seine Tochter würde auch noch einen anderen Track singen.“ Monate später teilte das Label mit: „Tricky möchte es aber nicht veröffentlichen.“ Ein späterer Flugzeug-Auftritt endete mit Tricky’s Ruf: „Lass mich in Ruhe!“ – das Stück liegt bis heute unveröffentlicht. ### „Autistic Disco“-Name polarisierte Der DJ-Name sei 2000 als Oxymoron entstanden, weil „diese DJs alle für mich so nahezu autistisch da standen und immer nur runtergeguckt haben“. Nach Social-Media-Kritik und dem Vorwurf der Diskriminierung habe er 2022 in „Anti-Disco“ umbenannt: „Die Stimmen wurden immer lauter … in der Schweiz waren 30 Kommentare: ›Was ist das für ein Titel?‹“ ### Theater versus Film: „Maske“ statt „echtem Erleben“ Eidinger beschreibt Filmsets als „viel mehr Maskerade“, weil jeder Schnitt einzeln inszeniert werde. Beim Theater hingegen spüre man nach zwei Stunden „was es mit mir gemacht hat – wenn ich mich dann umgucke, dann sieht man das“. Das mache Theater für ihn ehrlicher. ### Öffentliche Kritik treffe auf unerfüllte Liebesversprechen „Jetzt hat sich so viel eingelöst von dem, was ich mir immer erhofft habe … und dann wird man dafür gehasst.“ Eidinger sieht Neid als Triebkraft: „Warum stehe ich da nicht?“ Er habe gelernt, sich nicht mehr allen recht machen zu wollen. ### Omnipräsenzvorwurf sei ungerechtfertigt Man werfe ihm vor, anderen Schauspieler:innen „den Platz weg“ zu nehmen. Eidinger hält dem entgegen, dass sein Bekanntheitsgrad neue Zuschauer:innen ins Theater locke und das Repertoire-System ohnehin keine Konkurrenz zwischen Häusern bedeute: „Wer in die Schaubühne geht, geht auch gerne ins BE oder in die Volksbühne.“ ## Einordnung Das Gespräch wirkt wie eine entschleunigte Monolog-Reihe: Eidinger erzählt ausgedehnt, Müller kommentiert höflich. Tiefergehende Nachfragen oder kritische Gegenpositionen fehlen; kontroverse Aspekte (Ableismus-Vorwurf, Flugverzicht vs. Dauerpräsenz) bleiben unkontextualisiert. Die Konstruktion „Autistic Disco“ wird zwar als problematisch eingestanden, die Debatte aber auf „die Schweizer Twitter-Reaktion“ reduziert – eigene Diskriminierungswirkung oder Betroffenenpositionen werden nicht beleuchtet. Gleichzeitig reproduzieren beide das Klischee vom autistischen, sozial isolierten DJ, ohne alternative Bilder von Autismus einzuführen. Insgesamt ein stimmungsvoller, aber eindimensionaler Blick auf Künstler:innen-Karrieren und mediale Gerechtigkeit. Hörwarnung: Wer differenzierte Kritik zu Ableismus in der Popkultur oder eine ausgewogene Interviewer:innen-Führung erwartet, wird hier nicht bedient.