Im Gespräch mit Benjamin-Immanuel Hoff erklärt Alexander Koch, Direktor der Gesellschaft der Neuen Auftraggeber, wie Bürger:innen Kunstwerke initiieren – nicht als Auftraggeber im klassischen Sinn, sondern als Initiator:innen mit klarer künstlerischer Freiheit. Koch zeigt anhand von Beispielen aus Witstock, Mönchengladbach und Züsedom, wie Kunst als kollektive Aushandlung von Identität, Konflikt und Zukunft funktioniert. Die Methode basiert auf einem Protokoll von 1990, das Bürger:innen, Künstler:innen und Mediator:innen gleichberechtigt zusammenbringt. Koch kritisiert herkömmliche Partizipationsformate als „Top-down-Verhaltenscontainer“ und fordert echte Ressourcen-Umverteilung statt symbolischer Beteiligung. Die Kunstszene reagiert zwiespältig: Während manche das Modell als Demokratisierung feiern, wittern andere Privilegienverlust. Die Gesellschaft der Neuen Auftraggeber arbeitet überwiegend mit öffentlichem Geld, ist aber noch nicht flächendeckend politisch verankert. ### 1. Die Neuen Auftraggeber verstehen sich als Demokratisierung von Kunst Koch betont, dass Kunst nicht länger nur von Eliten beauftragt wird: „Die neuen Auftraggeber sind nicht die wenigen privilegierten, sondern im Prinzip Mr. and Mrs. Everybody.“ ### 2. Kunst als Antwort auf soziale Konflikte In Mönchengladbach entstand durch die Künstlerin Ruth Buchanan ein Brückenprojekt, das ein Arbeitslosenzentrum mit einem Gymnasium verbindet – als Skulptur und sozialer Intervention. ### 3. Partizipation wird als „Veranstaltung“ kritisiert Koch nennt klassische Bürgerbeteiligung „Top-down abgestellte Verhaltenscontainer“, in denen Bürger:innen „veranstaltet“ würden, statt selbst zu entscheiden. ### 4. Die Kunst bleibt frei – die Auftraggeber:innen auch Trotz Bürgerinitiative behalten Künstler:innen ihre ästhetische Eigenständig. Koch: „Die Freiheit des Künstlers ist sozusagen das eigentlich das gleiche wie die Freiheit des Bürgers und beide gilt es zu schützen.“ ### 5. Die Methode funktioniert ohne offene Ausschreibungen Projekte entstehen durch persönliche Kontakte und „Hörensagen“, um Enttäuschungen zu vermeiden – ein Ansatz, der bewusst auf breite Open Calls verzichtet. ### 6. Die etablierte Kunstwelt reagiert ambivalent Während manche das Model als Erweiterung demokratischer Teilhabe begrüßen, fürchten andere Kurator:innen und Institutionen Ressourcenverlust und Privilegienabbau. ## Einordnung Der Podcast wirkt wie ein zugleich leidenschaftliches Plädoyer und strategisches Positionspapier für ein alternatives Kunstverständnis. Koch gelingt es, komplexe soziale Prozesse in konkrete Erzählungen zu übersetzen, ohne dabei die Spannung zwischen künstlerischer Autonomie und gesellschaftlicher Verantwortung zu entschämpfen. Besonders bemerkenswert ist die klare Kritik an herkömmlichen Partizipationsformaten, die oft als Alibi-Veranstaltungen enden. Stattdessen setzt das Modell auf echte Ressourcen-Umverteilung und langfristige Begleitung – ein Ansatz, der viele etablierte Kulturinstitutionen herausfordert. Die Diskussion bleibt jedoch überwiegend innerhalb der Kunst- und Kulturszene verankert; strukturelle Machtfragen (wer entscheidet über Fördermittel, wer wird gehört) werden angesprochen, aber nicht tiefgreifend dekonstruiert. Der Fokus auf „Selbstermächtigung“ ist inspirierend, birgt aber die Gefahr, strukturelle Benachteiligung zu individualisieren. Insgesamt liefert die Sendung eine facettenreiche Einführung in ein spannendes Gegenmodell zur elitär geprägten Kunstwelt – mit dem Charme des Unterwegsseins und dem Gestus des Machbaren. Hörempfehlung: Wer sich für kulturelle Teilhabe jenseits von Tokenismus und für Kunst als soziale Praxis interessiert, bekommt hier einen fundierten Einblick in ein zukunftsfähiges Modell.