Übermedien: Holger ruft an ... wegen Hass im Netz
Medienexpertin Dr. Anette Schwill erklärt im Übermedien-Podcast, warum die geforderte Abschaffung der Anonymität im Netz zur Bekämpfung von Hasskommentaren weitreichende Konsequenzen hätte.
Übermedien
1289 min audioDiese Episode des Übermedien-Podcasts beschäftigt sich mit der Debatte um die Petition "Schluss mit anonymem Internet-Hass!" von Ruth Moschner und anderen, die nach den Hassattacken gegen Dunja Hayali ins Leben gerufen wurde. Die Rechtsanwältin und Medienexpertin Dr. Anette Schwill erläutert in einem kurzen Interview die rechtlichen und gesellschaftlichen Implikationen der geforderten Abschaffung der Anonymität im Netz.
Die zentrale Frage der Episode lautet: Sollte die Anonymität in sozialen Medien durch einen verpflichtenden Identifikationsnachweis abgeschafft werden, um Hasskommentare und Drohungen zu reduzieren?
### 1. Anonymität als Schutzraum für Whistleblower und Demokratie
Dr. Schwill betont, dass die Anonymität im Netz nicht grundsätzlich abgeschafft werden sollte, da sie für Whistleblower und Menschen in autoritären Regimen existenziell wichtig sei: "Wenn ich mich dort äußern möchte, aber beispielsweise in einem Land lebe, in dem ich Angst haben muss, dass meine Meinung dort dann zur Anzeige gebracht wird, dann ist es wichtig, dass ich anonym bleiben kann."
### 2. Ermittlungsproblematik bleibt bestehen
Obwohl die Identifizierung von Straftätern durch die Abschaffung der Anonymität erleichtert würde, sieht Schwill alternative Lösungswege: "Ich denke aber, dass das über andere Wege auch gelöst werden könnte und nicht nur über die Möglichkeit, die Anonymität ganz aufzuheben." Problematisch sei, dass Provider oft keine korrekten Nutzerdaten besitzen, wenn sich diese mit Fantasienamen anmelden.
### 3. Netzwerkdurchsetzungsgesetz und neue Gesetze als erste Schritte
Die Expertin verweist auf bestehende Regelungen wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) und ein neues Gesetz, das Plattformbetreiber zur Herausgabe von IP-Adressen an das Bundeskriminalamt verpflichtet. Diese Maßnahmen seien "ein Schritt in die richtige Richtung", um Plattformbetreiber stärker in die Pflicht zu nehmen.
### 4. Politik muss Behörden stärken
Als zentrale Forderung nennt Schwill die Verstärkung der Behörden: "Die Behörden mehr Personal bekommen, dass die besser ausgebildet werden, dass die IT-Systeme ausgebaut werden." Die langen Bearbeitungszeiten bei der Strafverfolgung seien ein massives Problem.
## Einordnung
Diese knapp sechsminütige Episode zeigt sich als klassisches Format des Medienkritik-Magazins Übermedien mit professionellem journalistischen Anspruch. Die Interviewerin stellt klare Fragen und überlässt der Expertin ausreichend Raum für differenzierte Antworten. Die Machart ist sachlich und informationsorientiert, ohne aufdringliche Wertungen. Besonders positiv hervorzuheben ist die komplexe Abwägung zwischen verschiedenen Interessen, die Dr. Schwill vornimmt – sie verharmlost weder die Probleme des Internet-Hasses noch fällt sie in einfache Lösungsdenken. Die Episode vermeidet es gekonnt, die Debatte zu vereinfachen oder sich auf eine Seite zu schlagen. Stattdessen wird deutlich, dass es sich um ein vielschichtiges Problem handelt, das zwischen dem Schutz von Betroffenen, der Aufklärung von Straftaten und der Bewahrung grundrechtlicher Freiheiten abgewogen werden muss. Als kleiner Kritikpunkt bleibt, dass die extrem kurze Laufzeit kaum Raum für tiefergehende Auseinandersetzung mit Gegenargumenten oder alternativen Lösungsansätzen lässt.