L'esprit public: La démocratie est-elle toujours en Amérique ?
Eine ausgewogene französische Podiumsdiskussion über die strukturellen Risiken von Trumps Rückkehr für das amerikanische Regierungssystem.
L'esprit public
3550 min audioFrankreichs führende Außenpolitik-Expert:innen diskutieren in der Radio-France-Kultursendung „L’Esprit public“ (Folge vom 23. März 2025, „Ist die Demokratie in den USA am Ende?“) über die strukturellen Gefahren, die Donald Trumps zweite Amtszeit für das amerikanische Regierungssystem mit sich bringen könnte. Die knapp einstündige Runde mit Thomas Gomart (IFRI-Direktor), Asma Mhalla (Tech-Geopolitik), Sylvie Kauffmann (Le-Monde-Chefkommentatorin) und Bertrand Badie (Sciences-Po-Emeritus) analysiert nicht nur Trumps Agenda, sondern auch die tieferen gesellschaftlichen Risse, die dessen Wiederwahl erst ermöglichten.
### 1. Die Demokratie leide weltweit unter „Narzissmus“, Zersplitterung und Bürger:innen, die sich ohnmächtig fühlen
Badie diagnosticiziert ein grundsätzliches Versagen demokratischer Institutionen, sich an die „Welt der Interdependenzen“ anzupassen. Das führe zu „nationalen Selbstbezogenheit, innerer Zerrissenheit und Entpolitisierung“, weshalb Menschen zu starken Männern greifen würden. „Wenn die Demokratie den Bürger:innen keine Antworten mehr gibt, wendet sich der Bürger von ihr ab.“
### 2. Digitale Plattformen hätten die US-Kulturkriege beschleunigt und konservatives Ressentiment geschürt
Mhalla betont, der Sieg Trumps sei „Endpunkt eines zwanzigjährigen demokratischen Zerfalls“. Soziale Medien hätten die Polarisierung verstärkt: „Die meisten Plattformen sind amerikanisch – kein Zufall.“ Die Gegenüberstellung von „Cancel Culture“ und „vergessener, weißer, ländlicher Mittelschicht“ erzeuge ein emotionales, „nicht mehr rationales Wählerpotential“.
### 3. Die US-Institutionen verlören ihre Schutzfunktion, weil die Verfassung frontal attackiert werde
Kauffmann erinnert daran, dass die USA „aus dem Bürgerkrieg geboren“ seien. Neu sei, dass nun „die Institutionen selbst attackiert werden – die Verfassung, der Kongress, das Supreme Court“. Trumps Ansage, „Rache“ zu üben, bedeute, „die Mittel des Präsidentenamtes gegen politische Gegner einzusetzen – das ist brandneu“.
### 4. Die politisierte Supreme Court gelte als schwächstes Bollwerk gegen Machtmissbrauch
Gomart macht die konservative Mehrheit im Höchstgericht zum „wunden Punkt des Systems“. Durch parteipolitisch motivierte Ernennungen sei der Court „selbst zu einem politischen Akteur geworden“, wodurch seine Rolle als Verfassungshüter geschwächt werde. Die „Radikalität“ Trumps werde nun unter bekannten Vorzeichen getestet.
### 5. Trump wolle den „Tiefen Staat“ entfernen und durch Getreue ersetzen – ein Angriff auf administrative Neutralität
Badie nennt die geplante Entlassung von Fachbeamten eine „Selbstverständlichkeit“ antidemokratisch: Der „deep state“ sichere Kontinuität und Kompetenz. „Wenn man diese Leute durch reine loyal Figuren ersetzt, bricht das Fundament des demokratischen Rechtsstaats zusammen.“
## Einordnung
Die Sendung ist ein Beispiel für hochkarätige, französische Debattenkultur: Vier Expert:innen ohne parteipolitisches Mandat analysieren strukturiert und sachlich, überwiegend mit langfristigen Perspektiven. Argumentative Brüche oder unbelegte Verschwörungstheorien fehlen – stattdessen dominieren institutionelle und gesellschaftstheoretische Framing. Die Gesprächsführung bleibt neutral, Zuspitzungen stammen von den Gästen, nie vom Moderator. Kritisch bleibt, dass fast ausschließlich eurozentrale Eliten zu Wort kommen; Stimmen der US-Bürger:innen, Migrant:innen oder Betroffener autoritärer Maßnahmen fehlen. Der Fokus auf Institutionen verdrängt gelebte soziale Realitäten. Rechte oder verschwörerische Positionen werden nicht reproduziert, sondern klar als Gefahr benannt – wodurch der Podcast ein Gegenentwurf zu US-amerikanischen Talkformaten bietet, die extremistische Talking Points oft neutral replizieren.