Wissenschaft auf die Ohren: Wie Künstliche Intelligenz den Blick ins All verändert (KI verstehen, DLF)

Die Jubiläumsfolge zeigt eindrucksvoll, wie KI die Astronomie transformiert - von der Entdeckung neuer Planeten bis zur Warnung vor Asteroideneinschlägen.

Wissenschaft auf die Ohren
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Die 100. Folge von "KI verstehen" widmet sich der Frage, wie Künstliche Intelligenz die Astronomie revolutioniert. Ralf Krauter und Friederike Walch-Nasseri sprechen mit Nobelpreisträger John Mather, Astrophysiker Daniel Grün und Planetariumsdirektor Tim Florian Horn. ### 1. Ein 18-Jähriger entdecke 1,5 Millionen neue Himmelskörper Matteo Pass, ein Highschool-Schüler aus Kalifornien, habe mit Hilfe von KI-Algorithmen und öffentlich verfügbaren Daten des NASA-WISE-Teleskops über 1,5 Millionen bislang unbekannte kosmische Objekte identifiziert. Dafür erhielt er den mit 250.000 Dollar dotierten Hauptpreis des Regeneron Science Talent Search Awards. Wie er selbst erklärt: "I took data from one of NASA's missions called the Wise Space Telescope and I put it through computers, made them think." ### 2. Die Datenflut im Weltraum sei kaum noch beherrschbar Moderne Teleskope produzierten derart massive Datenmengen, dass menschliche Auswertung unmöglich geworden sei. Allein für das erste Bild eines schwarzen Lochs seien 3,5 Petabyte an Rohdaten zusammengekommen - umgerechnet 2.800 Jahre ununterbrochene Musik in MP3-Qualität. Ohne KI-Algorithmen zur Mustererkennung könnten solche Bilder gar nicht erst entstehen. ### 3. KI reduziere Simulationskosten um das Hundertfache John Mather erklärt: "It has cut the cost of cosmological simulations by two orders of magnitude." KI ermögliche es, die Entwicklung des Universums von Urknall bis heute nachzustellen und zu verstehen, wie sich Galaxien und kosmische Strukturen gebildet haben. ### 4. Die Suche nach Planet 9 und gefährlichen Asteroiden KI könnte helfen, den hypothetischen neunten Planeten unseres Sonnensystems aufzuspüren, indem sie in Jahrzehnten alten Aufnahmen nach Bahnstörungen von Gesteinsbrocken sucht. Gleichzeitig würden KI-Modelle die Flugbahnen von Asteroiden viel schneller berechnen als menschliche Astronomen - möglicherweise könnten sie vor katastrophalen Einschlägen warnen. ### 5. Planetarien würden zu interaktiven Wissenschaftstheatern Tim Florian Horn beschreibt die Transformation: "Wir haben 120 Terabyte an Daten, die wir im Planetarium live zeigen können... Das ist nicht mehr das Museum der Sterne, das ist ein Wissenschaftstheater." Besucher könnten in Echtzeit zu neu entdeckten Himmelskörpern "fliegen" und aktuelle Forschungsdaten visualisieren. ### 6. Citizen Science demokratisiere die Astronomie Die Kombination aus öffentlich verfügbaren Teleskopdaten und benutzerfreundlichen KI-Tools ermögliche es Hobby-Astronom:innen, echte wissenschaftliche Entdeckungen zu machen. In Deutschland gebe es eine aktive Community der "Sternfreunde", die sich gegenseitig beim Galaxiensuchen unterstütze. ## Einordnung Die Jubiläumsfolge präsentiert sich als gelungene Mischung aus wissenschaftlicher Tiefe und unterhaltsamer Aufbereitung. Die Moderator:innen verstehen es, komplexe astrophysikalische Konzepte anschaulich zu vermitteln, ohne dabei zu oberflächlich zu werden. Besonders bemerkenswert ist die gelungene Integration verschiedener Expert:innenperspektiven - vom Nobelpreisträger bis zum Planetariumsdirektor. Die Episode vermeidet es geschickt, KI als Allheilmittel zu feiern, sondern zeigt sowohl Potenziale als auch Grenzen auf. Daniel Grüns Warnung, wissenschaftliche Ergebnisse nicht unkritisch zu übernehmen, verleiht der Sendung die notwendige Reflexion. Die Einbeziehung des 18-jährigen Citizen Scientists als Beispiel für gelungene Demokratisierung wissenschaftlicher Forschung rundet das positive Bild ab. Die journalistische Qualität des Formats überzeugt durch fundierte Recherche und die Fähigkeit, wissenschaftliche Faszination zu vermitteln.