Echo der Zeit: Die EU will den heimischen Markt gegen billigen Stahl abschirmen
Komprimierte Infos zu Handels-, Finanz- und Machtpolitik plus Nobelpreis und Rechtsextremismus – alles in 40 Minuten.
Echo der Zeit
2569 min audioDie rund 40-minütige „Echo der Zeit“-Sendung vom 7. Oktober 2025 spannt einen Bogen von handelspolitischen und finanzpolitischen Krisen über wissenschaftliche Nobelpreise bis zu rechtsextremer Selbstjustiz in Russland und fragwürdigen Präsidentschaftswahlen in Kamerun. Matthias Kündig und sein Redaktionsteam präsentieren die Themen in typisch kurzen, klassisch-radiohaften Sequenzen: knappe Einspielfeatures, Kommentare aus dem Studio, Interviews mit Expert:innen und Live-Gespräche mit Korrespondent:innen. Die Sendung lebt von Geschwindigkeit, glaubwürdigen Quellen und einem deutlichen Fokus auf europäische und schweizerische Betroffenheit.
### EU-Stahlzölle: Protektionismus als Geopolitik
Die EU plant, die zollfreien Stahl-Importkontingente zu halbieren und danach einen Zollsatz von 50 % zu erheben – „doppelt so viel wie bis anhin“, so Kommissar Maroš Šefčovič. Die Maßnahme solle die heimische Stahlindustrie auf 80 % Auslastung bringen, „damit sie wieder rentabel arbeiten und in die Modernisierung investieren kann“. Die Redaktion stellt klar, dass die Schweiz als Nicht-EWR-Staat von den neuen Hürden betroffen sei, wobei „massgeschneiderte Quoten wegfallen“. Die Argumentation wird durch Industrievertreter wie Stefan Sejournay untermauert: „C’est ainsi que l’Europe sort de sa naïveté aussi et assume sa responsabilité industrielle.“
### Frankreich: Budgetstau und wachsende Zinslast
Frankreich drohe 2026 ohne neues Budget in die Haushaltsprozedur zu rutschen, warnt Andreas Eisel vom Jacques-Delors-Institut. Die Schuldenquote steige, die Zinslast nehme zu, weil „die Zinsen deutlich höher sind“ als vor der Pandemie. Eine Marktpanik könne „sehr schnell“ eine krisenhafte Situation erzeugen. Die EU habe zwar mit der EZB einen Geldgeber in Reserve, doch „unter welchen Bedingungen“ Frank dann helfe, sei offen. Die Berichterstattung bleibt nüchtern, verzichtet auf dramatische Effekte und verortet Frankreichs Defizit im europäischen Vergleich.
### Russland: Rechtsradikale „Russische Gemeinschaft“ genießt Tolerierung
Die Bewegung „Russische Gemeinschaft“ kontrolliere Wohnheime, übernehme „Razzien“ gegen Migrant:innen und werde von hohen Kreml-Funktionären gedeckt. Selbst nach einer Schlägerei intervenierte der Chef des Ermittlungskomitees zugunsten der Rechtsextremen. Karl McKenzie berichtet, dass Betroffene aus Angst nicht sprechen wollen. Die Redaktion zeigt die Grenzen zivilgesellschaftlicher Berichterstattung auf und verweist auf „moderne Sklaverei“-Strukturen gegenüber zentralasiatischen Arbeitskräften.
### Kamerun: Paul Biyas perfektes System des Machterhalts
Präsident Paul Biya (92) strebt eine achte Amtszeit an. Fabian Urech erklärt das „perfekte Machterhaltungssystem“: Ausschluss des Hauptkonkurrenten, Wählerregister-Reduktion in Oppositionstraditionen, Tabuisierung von Alter und Gesundheit, Spaltung der Opposition und internationale „Teile-und-herrsche“-Diplomatie. Die Stimmenzahl werde auf rund 50 % der Berechtigten gedrosselt, womit Biya mit einfacher Mehrheit gewinne. Die Analyse bleibt auf Fakten reduziert, verzichtet auf Wertungen und überlässt dem Hörer die Bewertung.
## Einordnung
Die Sendung folgt dem klassischen Tageszeitungsprinzip: schnelle Einordnung, knappe Interviews, ständiger Perspektivenwechsel. Die Machart ist professionell, faktenorientiert und verzichtet bewusst auf überzogene Dramatik. Gleichwohl bleibt die Tiefe begrenzt: Komplexe Zusammenhänge wie die EU-Stahlzölle oder Frankreichs Haushalt bekommen jeweils nur wenige Minuten, während Hintergründe zu Kameruns Autokratie oder Russlands rechter Szene nur oberflächlich ausgeleuchtet werden. Die Auswahl der Gesprächspartner ist breit, aber alternative Perspektiven – etwa chinesische oder türkische Stimmen zu den Stahlzöllen, französische Gewerkschafter:innen zum Budget, betroffene Migrant:innen in Russland oder oppositionelle Politiker:innen in Kamerun – fehlen. Die EU- und Schweizer-Zentriertheit ist markant; globale Machtfragen werden primär durch die Brille eigener Interessen betrachtet. Die Rezeption bleibt informativ, aber wer vertiefte Analysen sucht, muss woanders weiterschauen. Die Berichterstattung über die rechtsextreme „Russische Gemeinschaft“ ist journalistisch wertvoll, zeigt aber auch die Grenzen auf, wenn Betroffene aus Angst nicht sprechen können – ein strukturelles Dilemma, das der Beitrag offenlegt, ohne es reflektierend zu durchbrechen.