POLITICO Berlin Playbook: Machthaber: Giorgia Meloni
POLITICO-Analyse zeigt die perfide Doppelstrategie von Giorgia Meloni: EU-tauglich nach außen, radikal nach innen.
POLITICO Berlin Playbook
33 min read2464 min audioDie POLITICO-Folge "Giorgia Meloni – Die zwei Gesichter der Macht" zeichnet den Aufstieg Italiens ersten Ministerpräsidentin mit postfaschistischer Vergangenheit. Gordon Repinski rekonstruiert, wie Meloni aus der Jugendorganisation des MSI zur Regierungschefin wurde und dabei zwei Rollen perfektioniert: nach außen die verlässliche EU-Partnerin, nach innen die ideologische Kulturkriegerin.
### 1 Melonis postfaschistische Wurzeln prägen bis heute ihre Politik
Die Ministerpräsidentin habe ihre Karriere in der Jugendorganisation des MSI begonnen, einer Partei, die "den längst vergangenen italienischen Faschismus in die Nachkriegszeit trägt". Das Symbol der Partei sei "die Fiamma Tricolore, eine Flamme in den italienischen Nationalfarben, die aus dem Grab Mussolinis aufsteigt".
### 2 Die Strategie der Normalisierung extrem rechter Inhalte
Meloni habe "die Normalisierung des Unnormalen" betrieben, indem sie die postfaschistische Symbolik beibehalten habe, gleichzeitig aber versichere, ihre Partei sei keine Gefahr für die Demokratie. Es sei "ein gefährlicher, fast unmöglicher Balanceakt".
### 3 Zweigleisige Politik: EU-Konformität und innerer Kulturkampf
Während Meloni international als "Stabilitätsanker" auftrete und die Ukraine-Politik fortsetze, treibe sie zu Hause einen "unerbittlichen Kulturkampf gegen Minderheiten" voran. Die Regierung weise Kommunen an, "die Eintragung von Kindern aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in die Geburtsregister zu stoppen".
### 4 Medienstrategie nutzt doppelte Empathie für restriktive Migrationspolitik
Meloni inszeniere sich bei Migrationskrisen als mitfühlende Mutterfigur, während sie gleichzeitig "die Seeblockade, das umstrittene Albanien-Abkommen" durchsetze. Die wahre Unmenschlichkeit sei ihrer Botschaft nach "die naive Politik der offenen Grenzen".
### 5 Institutioneller Umbau durch Verfassungsreform
Mit der geplanten Direktwahl des Premierministers versuche Meloni, "die Macht in der Exekutive zu konzentrieren" und die Kontrollfunktionen zu schwächen. Die Opposition spreche von einem System, "das auf eine starke Führerfigur zugeschnitten ist".
### 6 Erfolgsrezept: Schwache Opposition und wirtschaftlicher Pragmatismus
Die gespaltene linke Opposition und die Abhängigkeit vom EU-Wiederaufbaufonds ermöglichten Meloni, ihre Macht zu konsolidieren. Sie sei "die Erbin Draghis" und setze dessen wirtschaftspolitischen Kurs fort, während sie ihre ideologische Agenda umsetze.
## Einordnung
Der Podcast präsentiert sich als investigative Analyse, bleibt aber in der Darstellung weitgehend deskriptiv. Repinski rekonstruiert akribisch Melonis politische Karriere und zeigt die Brisanz ihrer Doppelstrategie auf. Die Machart ist professionell, die Recherche gründlich, doch fehlt eine kritische journalistische Distanz zur Bewertung der Normalisierung rechtsextremer Positionen. Die Episode wirft wichtige Fragen auf, ohne sie ausreichend zu beantworten: Welche Verantwortung tragen europäische Partner, die Meloni als verlässliche Konservative akzeptieren? Die Darstellung bleibt in der Beobachtungsebene, ohne die gesellschaftlichen Folgen der beschriebenen Normalisierung ausreichend zu problematisieren. Die größte Stärke liegt in der detaillierten Rekonstruktion der politischen Strategie, die Schwäche in der fehlenden kritischen Einordnung der demokratiepolitischen Bedeutung.
Hörwarnung: Die Episode zeigt beunruhigend nüchtern, wie postfaschistische Politik in Europa salonfähig wird – ohne ausreichende kritische Reflexion der demokratiepolitischen Konsequenzen.