Blätter-Podcast: MAGA in Großbritannien, Positive Kipp-Punkte, Zivilgesellschaft im Sudan
Die Blätter-Podcast-Episode zeigt, wie US-Rechtspopulist:innen Großbritannien destabilisieren, welche Klimakipppunkte wir noch stoppen können und warum der Sudan-Krieg kaum Beachtung findet.
Blätter-Podcast
53 min read3835 min audioDie Redaktion der Monatszeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“ stellt in der November-Ausgabe drei Schwerpunkte vor: Annette Dittert warnt, dass die US-amerikanische MAGA-Bewegung Großbritannien als Testfeld für einen „Regime Change“ nutze – ohne geschriebene Verfassung und Checks and Balances könnten Rechtspopulist:innen um Nigel Farage hier schneller durchgreifen als anderswo. Benjamin von Brackel erklärt, warum das 1,5-Grad-Ziel verpasst ist und welche Kipppunkte (etwa das Aussterben der Korallenriffe) bereits überschritten sein dürften; gleichzeitig zeigt er, dass „positive Kipppunkte“ wie die explosionsartige Verbreitung von Solarstrom die Wende noch ermöglichen könnten. Andrea Böhm berichtet vom Krieg im Sudan, der als größte humanitäre Katastrophe kaum Beachtung finde, obwohl die sudanesische Zivilgesellschaft mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde.
### Tether werde für illegale Aktivitäten genutzt
Die ARD-Korrespondentin Annette Dittert berichtet, dass US-amerikanische Think-Tanks und Geldgeber Farages Partei „Reform“ mit mindestens 25 Millionen Pfund und einem gezielten Personalrekrutierungsplan aufbauen wollten: „Das ist schon, wenn man sich das anguckt, da erinnert das doch sehr stark daran und man muss davon ausgehen, dass Farage jetzt mit dieser Unterstützung aus den USA […] eine ernstzunehmende Partei aufbauen kann.“
### Britische Demokratie schlechter geschützt als andere Demokratien in Europa
Ohne Verfassungsgericht und ohne geschriebene Verfassung könne eine künftige Regierung binnen kurzer Zeit das System umbauen; das House of Lords verfüge nur über beratende Funktion und könne beliebig mit Parteigänger:innen „vollgestopft“ werden, so Dittert.
### Klimakipppunkte bereits teilweise überschritten
Benjamin von Brackel nennt tropische Korallenriffe und das westantarktische Eisschild als Beispiele, bei denen der kritische Punkt wahrscheinlich bereits erreicht sei: „Wir haben schon verbockt, aber das heißt nicht, dass wir jetzt deswegen aufhören müssten […] es bringt immer noch was, sogar sehr viel, jetzt Klimaschutz zu betreiben.“
### Positive Kipppunkte durch Technologie-Boom möglich
Die Solarenergie habe sich innerhalb von zwei Jahrzehnten vom Gigawatt-Tagessatz zum Tages-Weltrekord entwickelt; sobald Erneuerbare günstiger seien als Fossile, wirde der Umstand zur Selbstläufer-Dynamik: „Dann kann man sich eigentlich entspannt zurücklehnen und zuschauen, wie die prosperiert.“
### Sudan-Krieg bleibt unter dem Radar der Weltöffentlichkeit
Andrea Böhm betont, dass der Sudan trotz Millionen Vertriebener und zahlreicher Kriegsverbrechen kaum mediale Aufmerksamkeit erhalte; die sudanesische Zivilgesellschaft organisiere sich trotzdem erfolgreich und erhalte dafür den Alternativen Nobelpreis.
### Zivilgesellschaft als Hoffnungsträger
Die Erfahrungen aus Syrien und Ukraine zeigten, dass mutige Zivilgesellschaften über sich hinauswachsen und zuverlässige Partner für humanitäre Hilfe und demokratische Neuordnung sein könnten – im Sudan geschehe das gerade in einem Ausmaß, „wie man es bisher noch nicht gesehen hat“, so die Redaktion.
## Einordnung
Die Blätter-Podcast-Folge arbeitet mit journalistischem Anspruch und klarem Blick für Machtverhältnisse: Die Interviews machen Expert:innen zu Wortführer:innen, ohne sie inhaltlich zu hinterfragen – das erhöht die Informationsdichte, verliert aber an Diversität der Perspektiven. Besonders bemerkenswert ist, wie präzise die Autor:innen rechte Netzwerke und Finanzströme benennen; gleichzeitig bleibt die Frage offen, warum europäische Demokratien erst durch US-Geld und Think-Tanks ins Wanken geraten. Die Klimadebatte vermeidet das gängige „1,5-Grad-Endzeit-Narrativ“ und hebt stattdessen handlungsleitende Kipppunkt-Logiken hervor – ein erfrischender Perspektivwechsel, der jedoch die politischen Hemmnisse in Deutschland (Bremse statt Förderung) nur andeutet. Der Sudan-Teil wirft einen notwendigen Blick auf eine vernachlässigte Katastrophe, verharrt aber in der europäischen Beobachterrolle; Stimmen afrikanischer Expert:innen fehlen. Insgesamt liefert der Podcast faktenreiche, gut recherchierte Einordnungen, bleibt aber im westlich-akademischen Diskursrahmen – Alternativer Erzählungen oder Betroffenen-Perspektiven bekommen kaum Raum.
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