11KM: der tagesschau-Podcast: "Russian Secrets": Auf den Spuren des geheimen Späh-Systems in der Arktis
Ein Blick hinter die Kulissen der internationalen Recherche zu „Harmonie“, Russlands geheimem Unterwasser-Überwachungsnetz in der Arktis.
11KM: der tagesschau-Podcast
33 min read1661 min audioAlice Pesavento vom NDR-Verifikationsteam erklärt in diesem Gespräch mit David Krause, wie sie mit Kolleg:innen aus mehreren Ländern dem geheimen russischen Unterwasser-Spähnetz „Harmonie“ nachspürt. Durch Kombination offener Schiffsbewegungsdaten, Satellitenbilder, Küstenwarnungen und Hinweisen aus sozialen Netzwerken rekonstruierten sie mögliche Kabeltrassen in arktischen Gewässern. Die aufwendige Datenjagd offenbare, dass zivile Forschungs- und Kabellegeschiffe unter anderem westlicher Bauart an strategisch sensiblen Orten außerordentlich langsam fahren, was auf Unterwasserarbeiten schließen lasse. Aussagen von Vermessungsingenieur:innen und Arbeiter:innen auf LinkedIn sowie Fotos von Bord ergänzen die Beweiskette. Sicherheitsexpert:innen bestätigen, dass es sich bei den identifizierten Abschnitten höchstwahrscheinlich um Teile von „Harmonie“ handle, das russische Atom-U-Boote vor feindlichen U-Booten schützen soll.
### 1. Schiffsgeschwindigkeit als Indikator für Unterwasserarbeiten
Die Recherchegruppe filterte Bewegungsdaten auf Fahrten unter einem Knoten (knapp 0,5 m/s). Es sei „Kriechgeschwindigkeit“, berichtet Pesavento, und lasse auf Kabellege- oder Vermessungsarbeiten schließen. Ein Expert:innen-Zitat unterstreicht: „Das macht man nicht, wenn man von A nach B will.“
### 2. Zivile Kabellegeschiffe als militärische Hilfskräfte
Ehemals deutsche Küstenwachenschiffe wie „Aquarius“ tauchten im Fokusgebiet auf. Pesavento zufolge seien solche zivilen Plattformen nötig, weil das System zwar von U-Booten ausgebracht werde, aber „wir nicht unter Wasser schauen können“.
### 3. LinkedIn als unerwartete Beweisquelle
Ein Vermessungsingenieur prahlte öffentlich mit seinem Einsatz auf der „Aurelia“, Auftraggeber: „russisches Verteidigungsministerium“. Pesavento nutzte solche Profile systematisch, um Gerätenamen, Einsatzzeiträume und Schiffspositionen abzugleichen – ein „Glücksfall“, wie sie einräumt.
### 4. Küstenwarnungen zeigen Sperrgebiete entlang möglicher Kabeltrassen
Norwegische Kolleg:innen lieferten sogenannte Coastal Warnings, in denen Russland „Special Activities“ oder explizit „Underwater Cable“ meldet. Fahrten ziviler Schiffe in diese abgesperrten Linien stützen den Verdacht auf gezielte Kabelarbeiten.
### 5. Schiffsarbeiter:innen posten brisante Unterwasseraufnahmen
Ein Foto eines Roboters zeigt eine silberne Verdickung an Kabeln. Sicherheitsexpert:innen identifizierten das Objekt mit hoher Wahrscheinlichkeit als Hydrofon – ein zentrales Element von „Harmonie“, um Schiffs- und U-Boot-Geräusche zu erfassen.
## Einordnung
Der Podcast liefert keinen klassischen Report, sondern nimmt Hörer:innen mit an den virtuellen Schreibtisch der Datencrew. Die Erzählweise ist entsprechend spannungsorientiert, durchzogen mit Aha-Effekten („Ich fühl mich wie ein Detektiv“) und technischen Details, die für Laien nachvollziehbar erklärt werden. Die redaktionelle Leistung besteht darin, ein hochkomplexes Puzzle aus verschiedenen offenen Quellen verständlich aufzubereiten und dabei nie den Anspruch vollständiger Gewissheit zu unterstellen. Stets bleibt der Konjunktiv („könnte“, „vermuten“, „Expert:innen sagen“), was der Geschichte Glaubwürdigkeit verleiht. Kritisch ist anzumerken, dass nur die eine Seite – die recherchierenden Journalist:innen – zu Wort kommt; russische oder neutrale Sicherheitsforscher:innen fehlen. Dennoch zeigt sich ein professionelles Vorgehen: Quellen werden offengelegt, Unsicherheiten benannt und Expert:innen zitiert. Die Folge demonstriert eindrucksvoll, wie Open-Source-Recherche militärische Geheimprojekte sichtbar machen kann, ohne dabei selbst Spekulation als Tatsache zu verkaufen.