Der ARD-Korrespondent Peter Hornung berichtet in dieser 11KM-Folge von seiner einwöchigen Reise durch Afghanistan Ende September 2024. Nach zweieinhalb Jahren der Berichterstattung aus der Ferne durfte er erstmals wieder mit offiziellem Visum einreisen. In der 35-minütigen Episode schildert Hornung, wie das Taliban-Regime das Land zunehmend zu einem religiösen Überwachungsstaat umbaut: Die Sittenpolizei („Doktoren“) kontrolliert Kleidung und Verhalten, Frauen müssen sich verschleiert zeigen, das Internet wurde landesweit zeitweise abgeschaltet. Dennoch gibt es versteckte Schulen für Mädchen und Influencer:innen wie Nasra Rahimi, die online Widerstand symbolisieren. Hornung zeichnet ein Bild eines gespaltenen Machtlagers: radikale Hardliner um den geheimnisvollen Obersten Führer Haibatullah Akhundzada in Kandahar stehen gegen pragmatischere Kräfte in Kabul, die einen funktionsfähigen Gottesstaat wollen. Internationale Anerkennung erhalten die Taliban bisher nur von Russland. Die journalistische Herangehensweise ist professionell: Hornung berichtet konkret und szenisch, lässt Betroffene zu Wort kommen und macht seine eigenen Beobachtungen transparent. Die Moderation durch Elena Kuch strukturiert das Gespräch klar.### 1. Frauen verschwinden aus dem öffentlichen Raum Hornung berichtet, dass Frauen kaum noch auf den Straßen Kabul zu seien. Träfen sie sich doch, seien sie mit Burka oder Corona-Maske vollständig verhüllt. Es sei verpflichtend, das Gesicht zu verhüllen; werde eine Frau dreimal ohne Verschleierung erwischt, drohe eine Strafe. „Inzwischen sieht man nur noch sehr, sehr selten das Gesicht einer Frau auf der Straße.“ ### 2. Internet als letztes Fenster zur Welt steht zur Disposition Nach einem Erlass des Obersten Führers seien landesweit Internet und soziale Medien zeitweise abgeschaltet worden. Für viele Afghan:innen sei das Netz das einzige Mittel, um zu lernen, zu arbeiten und Kontakt zur Diaspora zu halten. Junge Influencer:innen wie Nasra Rahimi (68.000 Follower) würden online Widerstand symbolisieren; bei dauerhafter Blockierung „bekommt man keine Luft mehr“. ### 3. Geheime Schulen und versteckte Cafés bieten Freiräume Trotz Verbots für Mädchen ab der siebten Klasse gebe es „Hintertüren“: Schulen, die offiziell als Madrasen geführt würden, unterrichetten heimlich reguläre Fächer. In versteckten Cafés hinter Stahltüren dürften Frauen und Männer gemeinsam sitzen – draußen patrouillieren mit Kalaschnikows ausgestattete Sittenpolizist:innen. ### 4. Taliban intern gespalten in Pragmatiker und Radikale Hornung unterscheidet zwei Lager: Die Pragmatiker in Kabul wollten ein funktionierendes Staatswesen mit internationalem Anschluss, die Radikalen um Haibatullah Akhundzada in Kandahar strebten einen rigiden Gottesstaat ohne soziale Medien und Frauenbildung. Die entscheidende Frage sei, welche Fraktion sich durchsetze. ### 5. Junge Männer kennen nur Krieg und stehen ohne Perspektive da Viele jugendliche Taliban seien seit Jahren nur als Kontrollposten beschäftigt. Sie hätten keine Ausbildung, keine berufliche Perspektive und drohten im Falle neuer Konflikte als Selbstmordattentäter eingesetzt zu werden. Hornung spricht von einer „verlorenen Generation“. ## Einordnung Die Episode zeigt investigative Recherche auf hohem Niveau: Hornung liefert detaillierte Beobachtungen, ordnet politische Machtverhältnisse ein und macht seine eigenen Sicherheitsbedenken transparent. Besonders wirksam ist die kontrastive Darstellung: zwischen offizieller Taliban-Propaganda und gelebter Realität, zwischen öffentlichem Terror und privatem Widerstand, zwischen radikaler Ideologie und pragmatischer Notwendigkeit. Kritisch bleibt, dass westliche Journalist:innen nur unter Aufsicht recherchieren dürfen; dieses strukturelle Problem wird offengelegt, aber nicht hinterfragt. Der Fokus auf Frauen- und Internetthemen spiegelt dabei primär deutsche Interessen wider – wirtschaftliche oder ökologische Perspektiven fehlen. Insgesamt liefert der Podcast eine klare, emotional aufgeladene Gesamtschau, die ohne Schwarz-Weiß-Malerei auskommt.